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Das Comeback des Pelzmantels

Sean Sinico / Anika Busch11. März 2005

Lange Zeit galten Pelzmäntel in Europa als Luxusgüter der Superreichen. Nun scheinen sie wieder im Kommen zu sein. Doch die Bedenken vor allem von Tierschützern bleiben. Zu Recht?

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Zumindest im Zoo muss der Fuchs nicht um sein Fell fürchtenBild: dpa

Bereits seit dem 19. Jahrhundert werden Tiere - vorrangig Nerze, Füchse, Kaninchen und Chinchillas - zur Gewinnung von Pelzen gezüchtet. Pelzmäntel sind Luxusgüter, die bislang vor allem von reichen älteren Damen getragen wurden. In den letzten Jahrzehnten sind sie unter anderem durch zahlreiche Kampagnen von Tierschutzorganisationen zunehmend in Verruf geraten. Doch diese Zeiten sind vorbei, behauptet die Pelzindustrie. Sie ist davon überzeugt, dass der Pelz wieder an Bedeutung in der Modewelt gewinnt.

Geächtete Luxusgüter oder Mode für Jedermann?

Das Deutsche Pelzinstitut erklärt den zunehmenden Erfolg des Pelzes mit dem "Traum von edlen Materialien, weichen Linien und verschwenderischer Stofffülle in einer neuen Opulenz" und mit der Emanzipation der Verbraucher. "Pelz verkauft sich gut, aber es ist nicht mehr der klassische Pelz aus früheren Zeiten", sagt Susanne Kolb-Wachtel vom Deutschen Pelzverband. "Er ist heute leichter, moderner und farbenfroher." Es gebe zudem mehr Pelze in unterschiedlichen Preisklassen als je zuvor. Der Wandel des Aussehens und der Preise sei der Grund dafür, dass der durchschnittliche Pelzträger heute nicht mehr über 45, sondern über 25 Jahre alt sei, sagt sie.

Bildergalerie Füchse: Pelzmode
Die neue PelzmodeBild: dpa

Auch die Laufstege haben den Pelz wieder entdeckt. So verarbeiten laut Angaben der International Fur Trade Federation (IFTF) 350 führende internationale Modedesigner Pelz in ihren Kollektionen. Die größten Umsätze können Pelztierzüchter in Europa in Italien, Spanien, Deutschland, Frankreich und Österreich erzielen.

Jedoch halten Tierschützer die Wiederkehr des Pelzes angesichts anhaltender Kritik von Konsumenten in vielen Ländern für unwahrscheinlich. "Das Pelzcomeback ist übertrieben", sagt Jürgen Faulmann von der Tierschutzorganisation People for the Ethical Treatment of Animals (PETA). "Es ist eine Perversion der Superreichen, die nicht wissen, was sie mit ihrem Geld anfangen sollen und deshalb tausende Euro für einen Pelzmantel bezahlen." Faulmann macht deutlich, dass immer mehr Bekleidungsgeschäfte Pelz aus ihren Kollektionen verbannen.

Die Umsätze steigen

Dennoch scheinen die Pelztierhersteller in der Tat Umsatzsteigerungen zu verzeichnen. 2004 existierten in den Mitgliedstaaten der Europäischen Union etwa 6500 Pelztierfarmen, die Pelze im Wert von 625 Millionen Euro produzierten. Der Umsatz konnte nach Informationen der IFTF in den vergangenen Jahren stetig gesteigert werden. Die europäischen Pelztierzüchter lieferten 2002 insgesamt 70 Prozent der globalen Nerz- und 63 Prozent der weltweiten Fuchsproduktion.

Den größten Anteil europäischen Nerzfellen produzieren die dänischen Pelztierzüchter. Finnland ist führend in der Fuchsfellbranche. Auch in den Niederlanden sowie einigen osteuropäischen Ländern wird eine große Anzahl von Pelztieren gezüchtet. Die Pelztierzucht ist in diesen Ländern wichtiger Bestandteil der Landwirtschaft, so die IFTF. Griechenland stellt das wichtigste Land der EU im Bereich der Herstellung von Pelzbekleidung dar.

Nach wie vor erhebliche Missstände

In den vergangenen Jahren wurden mehrere Forschungsarbeiten durchgeführt und gesetzliche Regelungen auf EU-Ebene erlassen, die der Verbesserung der Haltungsbedingungen der Tiere dienen sollen. So schließt die EU-Richtlinie 98/58 zum Wohlergehen landwirtschaftlicher Nutztiere Pelztiere ein. Des Weiteren existiert eine Empfehlung des Europarats zur Haltung von Pelztieren, die in Zusammenarbeit mit Tierärzten, Bauernverbänden und Tierschutzorganisationen entwickelt wurde. Daneben gibt es zahlreiche weitere gesetzliche Regelungen, die auch die Haltung und Schlachtung von Pelztieren berücksichtigen.

Kolb-Wachtel vom Pelzverband sagt, sie sei stolz auf die Bereitschaft der Pelzhersteller, in die Verringerung des Leidens der Tiere zu investieren, zum Beispiel durch die Schaffung größerer Käfige und kürzerer Transportzeiten.

Dennoch konnten die Missstände in der Pelztierzucht bislang nicht vollständig beseitigt werden, wie verschiedene weltweit agierende Tierschutzorganisationen bemängeln. So werden die Tiere laut der Organisation Menschen für Tierrechte in der Regel nach wie vor in viel zu kleinen Käfigen gehalten, die ihnen keinen ausreichenden Schutz vor Kälte, Nässe und Hitze bieten. Folgen sind Verhaltensstörungen der Tiere wie Kannibalismus, Apathie und Schwanzbeißen. Zudem sind sie anfällig für Krankheiten wie die Aleutenkrankheit bei Nerzen und Lungenentzündungen sowie Parasitenbefall. Nerze und Füchse sind zur Abkühlung außerdem auf Wasserstellen angewiesen, die ihnen auf den Farmen nicht zur Verfügung stehen. PETA spricht zudem von grausamen Tötungsmethoden, die die Haut und somit das Fell schonen sollen, für die Tiere allerdings sehr schmerzhaft sind. Die Tiere werden laut der Tierschutzorganisation vergast, vergiftet, per Stromstoß oder durch Genickbruch getötet.

Weltweite Proteste

So ist es kaum verwunderlich, dass es in vielen Ländern Proteste gegen die Pelztierzucht gibt. In Schweden beispielsweise plädieren laut Angaben der Tierschutzorganisation Infurmation zwei Drittel aller Bürgerinnen und Bürger zwischen 18 und 29 für ein Verbot der Zucht von Pelztieren. Viele der größten schwedischen Bekleidungshäuser verzichten mittlerweile komplett auf die Verwendung von Pelzen, so auch das Modehaus H&M. Aufgrund der Proteste erklärte die schwedische Regierung nach ihrer Wahl 2002 die Aufnahme eines Verbots von Pelztierfarmen zum Bestandteil ihrer Koalitionsverträge.

In Deutschland unterliegt die Beaufsichtigung der Pelztierfarmen der Obhut der Länder, die Gesetze für die Behandlung und Schlachtung von Tieren erlassen können. Grundlagen für diese Regelungen sind Artikel 20a des Grundgesetzes, der seit 2002 die Rechte von Tieren schützt, sowie das "Gutachten zur tierschutzgerechten Haltung und Tötung von Pelztieren" des Bundesministeriums für Verbraucherschutz, Ernährung und Landwirtschaft von 1986. Doch die Effektivität der Gesetze zur Verbesserung der Lebensbedingungen der Tiere ist umstritten. "Es ist völlig unverständlich, dass das Gesetz, das die Lebensbedingungen von für die Pelzherstellung gezüchteten Tieren verbessern soll, noch immer nicht durchgesetzt wurde", sagt Wolfgang Apel, Präsident des Deutschen Tierschutzbundes.

Unentbehrliches Material?

Doch wie ist die Umsatzsteigerung der Pelzindustrie trotz der anhaltenden Proteste erklärbar?

Pelzmodeschau
Modenschau auf der Russischen Pelzmesse in Moskau 2002Bild: AP

Ein Grund für die Wiederentdeckung des Pelzes durch die Modedesigner – egal, ob sie Mode für alte oder junge Menschen entwerfen – liegt in den wachsenden Absatzmärkten in Russland und China. "Es gibt in diesen beiden Ländern jeweils zwei verschiedene Märkte", erklärt Kolb-Wachtel. "Der Markt der Reichen, die stets nach dem neuesten Schrei suchen, und der Markt der Menschen, die in kalten Gegenden leben und warme Kleidungsstücke benötigen."

Doch genau an diesem Punkt setzen die Tierschutzorganisationen an. Sie machen deutlich, dass es wärmere synthetische Materialien gibt. Damit untermauern sie ihren Vorwurf, dass Pelztiere gezüchtet und geschlachtet werden, um das Bedürfnis der Menschen nach Luxusgütern zu befriedigen, die sie eigentlich nicht brauchen. Nach Angaben der Tierschutzorganisation sterben für einen Nerzmantel 40 bis 60 und für einen Mantel aus Chinchillafell gar 130 bis 200 Tiere.

Peta versucht in ihren neuen Kampagnen, den Menschen deutlich zu machen, was sie auf ihrem Rücken tragen. "Die Medien lassen die Menschen glauben, dass das Tragen von Pelzen kein Verbrechen sei", sagt Faulmann. "Mit unserer neuen Kampagne möchten wir zeigen, was von dem Fuchs übrig bleibt, wenn ihm das Fell abgezogen wurde."

Vielen Menschen, wie Verena Pirchner, genügen die Argumente der Tierschützer. "Ich denke, dass es furchtbar ist, dass Menschen immer noch Pelze tragen", sagt die 24-jährige Studentin aus Bonn. "Meine Mutter hat einen Pelzmantel von ihrer Mutter geerbt, den sie aber nie trägt. Ich würde ihn auch niemals anziehen." Auch viele Prominente engagieren sich für die Abschaffung der Pelztierzucht. Andere Konsumenten legen bei der Auswahl ihrer Kleidungsstücke Wert darauf, dass diese unter für die Tiere artgerechten Bedingungen hergestellt wurden. "Ich habe wirklich lange darüber nachgedacht, einen Mantel aus Hasenfell zu kaufen", sagt Ute Krieg aus Koblenz über ihre Entscheidung für ein Pelzkleidungsstück. "Ich möchte nichts tragen, das zuvor gequält wurde."

Franka Potente und Bela B werben für PETA
Die Schauspielerin Franka Potente und der Popmusiker Bela B. posieren für die Anti-Pelz-Kampagne von PETABild: AP/OLAF HEINE/UPFRONT

Wie begehrt Pelze wirklich sind, wird sich in dieser Woche auf der 57. Fur & Fashion Messe in Frankfurt zeigen. Vom 9. bis 12.3.2005 haben die Besucher die Möglichkeit, sich über neueste Trends in der Pelz- und Ledermode zu informieren. Tierschutzorganisation planen allerdings Proteste und Demonstrationen gegen die Veranstaltung.