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Das deutsche Jobwunder

Karl Zawadzky2. Mai 2007

Die Zahl der Arbeitslosen in Deutschland hat den niedrigsten Stand seit viereinhalb Jahren erreicht. Die Ursache sind alte Reformen und eine brummende Konjunktur, meint Karl Zawadzky.

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Bild: DW
Karl Zawadzky

Die positive Entwicklung am Arbeitsmarkt, die vor dem Hintergrund der jahrelangen Misere an ein Job-Wunder grenzt, hat vor allem zwei Gründe: Zum einen sorgt die gute Konjunktur für mehr Beschäftigung und niedrigere Arbeitslosenzahlen; zum anderen wirken sich die Arbeitsmarktreformen aus, die Bundeskanzler Gerhard Schröder auf den Weg gebracht hat. Die Arbeitsagenturen vermitteln Jobs schneller und zielgerichteter. Jenen Arbeitslosen, die sich nicht selbst um eine Stelle bemühen oder sich Vermittlungsangeboten entziehen, werden die Leistungen gekürzt. Hinzu kommt, dass die Unterstützung für Langzeitarbeitslose verringert worden ist. Auch das fördert die Arbeitsbereitschaft.

Keine Besserung ohne Aufschwung


Doch ohne den Wirtschaftsaufschwung würden die Arbeitsmarktreformen weitgehend wirkungslos verpuffen. Wenn nämlich die Wirtschaft auf der Stelle dümpelt und die Unternehmen keinen Bedarf an zusätzlichen Arbeitskräften haben, laufen die verstärkten Vermittlungsbemühungen und Leistungskürzungen ins Leere. Doch der Aufschwung sorgt dafür, dass die Arbeitsmarktreformen greifen.

Durch die gute Konjunktur sind die Produktionskapazitäten der meisten Unternehmen voll ausgelastet. Viele Firmen erweitern angesichts der prall gefüllten Auftragsbücher ihre Produktion und suchen neue Mitarbeiter. Waren vor zwei Jahren bei den Arbeitsagenturen 420.000 offene Stellen gemeldet, so sind es heute 920.000. In einer zunehmenden Zahl von Regionen und Branchen ist der Arbeitskräftemangel bereits ein ernsthaftes Hindernis für weiteres Wirtschaftswachstum. Vor allem Ingenieure und Computerspezialisten werden händerigend gesucht und vielfach nicht in ausreichendem Maße gefunden.

Es zeigt sich wieder einmal: Wirtschaftswachstum ist nicht alles, aber ohne eine wachsende Wirtschaft ist alles nichts. Oder anders gesagt: Mit Wirtschaftswachstum werden viele Probleme, wenn auch nicht alle, leichter lösbar. Zum Beispiel wird die staatliche Arbeitsmarktverwaltung und Arbeitslosenversicherung nach vielen Jahren mit Defiziten in teils zweistelliger Milliardenhöhe in diesem Jahr nicht nur mit ihren Beitragseinnahmen auskommen, sondern sogar einen Überschuss erwirtschaften. Das heißt: Der Bundesfinanzminister muss in diesem Jahr keinen Defizitausgleich aus Steuermitteln zahlen. Durch die gute Konjunktur und die zunehmende Beschäftigung gehen bei den Finanzämtern mehr Steuern und bei den Sozialversicherungen mehr Beiträge ein. Vor allem aber nimmt mittlerweile auch der private Verbrauch zu, der in Deutschland mehr als die Hälfte zum Bruttoinlandsprodukt beisteuert.

Nicht alle profitieren


Deutlich ist ein Stimmungswandel zu spüren. Das Wehklagen nimmt ab, der Optimismus setzt sich durch. Wenn externe Schocks ausbleiben und sich die Weltwirtschaft insgesamt weiterhin positiv entwickelt, wird der Aufschwung noch lange anhalten und das Jobwunder befeuern. Das Unterschreiten der psychologisch wichtigen Marke von vier Millionen Arbeitslosen ist ebenso erfreulich wie wichtig, doch leider profitieren von der positiven Entwicklung längst nicht alle Arbeitslosen.

Wer schon lange ohne Job ist, wer gesundheitliche Einschränkungen hat, wer sich in vorgerücktem Alter befindet oder nicht über eine qualifizierte Ausbildung verfügt, der hat trotz der guten Entwicklung auch heute noch wenig Chancen, einen Job zu finden. Das aber heißt: Für die Politik und die Sozialpartner muss die erfreuliche Entwicklung am Arbeitsmarkt Ansporn sein, das Wachstum der Wirtschaft zu stärken und Beschäftigungshürden abzubauen. Da ist noch einiges zu tun.