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Das E-Bike erobert die Alpen

Arno Stroncik
29. Mai 2017

Das Peloton des Giro d'Italia ist auch durch das Trentino gefahren- eine Region, die bislang nur gut trainierten Radsportlern zugänglich war. Dank des E-Bikes ändert sich das gerade, wie unser Autor selbst erfahren hat.

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Italien Radfahren in Trentino
Bild: DW/S. Stroncik

"Rund zwei Kilometer hoch, dann ein steter Wechsel zwischen auf und ab, am Ende eine lange Abfahrt!" So beschreibt Guide Nicola Piechele die geplante Halbtagestour auf dem neuen Mountainbike-Trail Tour de Non in den Höhenlagen des Trentino. Das klingt verheißungsvoll und machbar - auch für mich als Freizeitfahrer. Ich hätte jedoch stutzig werden sollen, als Nicola sich als Ex-Radprofi outet. Verdächtig auch: Meine Mitfahrer machen schon vom Outfit her einen sehr ambitionierten Eindruck.

Italien Radfahren in Trentino
Mit dem Mountainbike durch das TrentinoBild: DW/S. Stroncik

Denn schon geht es zügig nach oben, aus zwei Kilometern über Waldwege werden gefühlte sechs. Immerhin wartet die Radgruppe am Verbrennten Egg in 1.850 Meter Höhe auf den erschöpften Nachzügler. Der schwört in diesem Moment dem Mountainbiking ab, besinnt sich aber, als er die grandiose Aussicht wahrnimmt. Der Blick fällt auf den Kalterer See sowie in das weite Etschtal südlich von Bozen. Der Rest der Tour über den Kamm und dann runter nach Vervo ins Val di Non, auch Nonstal genannt, ist dann auch für den Anfänger zu schaffen - obwohl er downhill nur Staubwolken seiner vorpreschenden Radkollegen wahrnimmt.

Mountainbiking auf der Tour de Non

Das Trentino, zwischen dem Weltnaturerbe Dolomiten und dem Nordzipfel des Gardasees gelegen, ist reich an Routen und Radwegen, die allen Ansprüchen gerecht werden. Sehr beliebt bei Mountainbikern ist die Gardasee-Region. Eine neue Herausforderung bietet nun die alpine Tour de Non mit bis zu fünf Tages-Etappen. Dabei werden ab Cles, dem Hauptort im Nonstal, auf 154 Kilometern Länge 6000 Höhenmeter absolviert.

Italien Radfahren in Trentino
Zum Genießen: Blick auf den Kalterer See im EtschtalBild: DW/S. Stroncik

Die Rundstrecke auf Singletrails und naturbelassenen Wegen verläuft zwischen den felsigen Brenta-Dolomiten, dem Maddalene-Gebirge, dem schroff abrechenden Mendelkamm und sanft geschwungenen Apfelplantagen. Sie erfordert erfahrene Biker, die sich auch vor Schiebe- und Tragepassagen nicht fürchten. Aber auch Ungeübte können Teilabschnitte absolvieren und gemütlich durch blühende Apfelgärten und vorbei an historischen Burgen wie Schloss Thun radeln.  

Bikeguide Nicola spricht von einem großem "Tourismus-Potential" für das eher unbekannte Trentino. Viele Deutsche reisten nach Südtirol, dabei würden sie "grandiose Raderlebnisse" rund um das Val di Non verpassen.

Das Radidol im Weingut

Italien Radfahren in Trentino
Francesco Moser freut sich über den Radsport-Tourismus in seiner RegionBild: DW/S. Stroncik

Auch auf der Straße bietet das Trentino bei relativ geringem Verkehr beste Bedingungen für Radsportler. Nicht umsonst hat die Region berühmte Profis hervor gebracht wie Francesco Moser, der 1984 beim Giro d'Italia triumphierte. Im selben Jahr stellte Moser mit 51,151 km/h einen neuen Stundenrekord im Zeitfahren auf. Diese Zahl ziert auch die Etiketten seiner Sektflaschen, die der 66-jährige Weinbauer auf seinem Gut bei Trient keltert. In seinem Radsportmuseum lassen sich sein Spezialrad, aber auch gewonnene Trikots und Trophäen bewundern.

"Zu meinen Anfängen in den 70er Jahren waren nur wir Rennfahrer auf den Straßen, heute sind tausende von Leuten auf den Radrouten unterwegs", freut sich Moser über die Radsportbegeisterung. Vor allem die Zahl der Mountainbiker sei "explosionsartig" gestiegen. "Man kann damit überall hinfahren, in jede Höhenlage, sogar bis in die Skigebiete."  Auch den Einsatz von E-Bikes hält Moser für empfehlenswert. Er selbst nutzt ein Rad mit elektrischer Assistenz, um durch seine Weinberge zu fahren.

Finale der Tour of the Alps im Trentino

Moser ist auch Mitinitiator der neuen "Tour of the Alps". Auf den Spuren des Giro del Trentino - mit seiner 40-jährigen Tradition als wichtigstes Radrennen in der Alpenregion - führt die Tour auf fünf anspruchsvollen Etappen durch Tirol, Südtirol und Trentino. Moser spricht von einem "zukunftsweisendem Projekt", bei dem etliche Alpengipfel der Euregio-Region überquert werden.

Italien Radfahren in Trentino
So sieht das aus, wenn die Profis fahrenBild: DW/S. Stroncik

Galionsfigur des Rennens ist auch Maurizio Fondriest aus Cles. Für den Straßenweltmeister von 1988 können sich die Profis auf den schweren Bergpassagen den letzten "Feinschliff" für den Giro d'Italia holen. Der 52-Jährige trainiert im Trentino immer noch bis zu vier Mal wöchentlich auf dem Rennrad. Für ihn gehört das Val di Non "zu den schönsten Tälern Europas."  

Die letzte Etappe der Tour of the Alps endete auf dem malerischen Duomo-Platz in der Hauptstadt Trient. Dort durfte sich in diesem Jahr Geraint Thomas vom britischen Team Sky als Gesamtsieger feiern lassen. Bester Deutscher vom Team Bora-hansgrohe war Emanuel Buchmann als Siebter. Für den 24-Jährigen ist die Tour "eine schwere, aber auch sehr schöne Rundfahrt in einer wunderbaren Landschaft."

Neue Horizonte mit dem E-Bike

Zurück aufs Mountainbike, weitere Passagen der Tour de Non bei Kastelpfund warten auf mich. Um in meiner Gruppe nicht wieder das Nachsehen zu haben, bin ich auf ein geländetaugliches E-Bike umgesattelt. Zwar ernte ich gering schätzende Blicke, bergauf aber bin ich plötzlich in der Spitzenposition. Großzügig biete ich Anschiebhilfen an, die unverständlicherweise abgelehnt werden. Und so kann ich als erster den Höhenblick auf die schneebedeckten Brenta-Dolomiten genießen, die über die Wipfel der Kiefernwälder hervorschauen.

Italien Radfahren in Trentino
Wer sich die Berge hochgequält hat, kann einen herrlichen Blick auf die schneebedeckten Gipfel der Dolomiten genießenBild: DW/S. Stroncik

Dann gerate ich doch wieder ins Hintertreffen. Die Räder müssen über sumpfige Passagen voller Baumwurzeln getragen werden, bei meinem E-Bike macht sich das erhöhte Gewicht bemerkbar. Auch bei der Abfahrt - ohne elektrische Power und mit fehlendem Wagemut - bin ich abgeschlagen. Am Ende schlägt vermeintlich meine Stunde. In der Ebene und auf Asphalt Richtung Brez schalte ich den Turbogang ein. Ich fliege vorbei an Apfelplantagen und Weinfeldern, um doch von allen überholt zu werden. Denn bei 25 km/h schaltet mein Pedelec den Elektromotor ab. Wieder bin ich Letzter im Etappenziel. Dennoch: Nahezu mühelos schaffte ich jeden Anstieg. Das E-Bike eröffnete mir somit im Trentino neue und bezaubernde Horizonte.