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Ende der Internet-Freiheit

Das Interview führte Sarah Mersch.26. Februar 2008

Mohamed Drissi Bakhkhat ist einer der prominentesten Blogger Marokkos. Er ist schockiert über das Urteil gegen Fouad Mourtada, der verurteilt wurde, weil er auf Facebook ein Profil eines marokkanischen Prinzen angelegt h

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Schild eines Internet-Cafés in Tanger, Marokko. Quelle: dpa
Wer hier reingeht kriegt in Zukunft vielleicht Probleme, glaubt Mohamed Drissi BakhkhatBild: picture-alliance/dpa

DW-WORLD.DE: Herr Drissi Bakhkhat, wie beurteilen Sie den Fall Fouad Mourtada?

Drissi Bakhkhat: So wie in der Presse und von der Familie Mourtada berichtet wurde, hat Fouad zugegeben, unter dem Namen von Prinz Moulay Rachid ein Profil angelegt zu haben. Ohne das entschuldigen zu wollen: die Reaktion der Behörden und die angewandten Mittel sind überzogen. Sie zeigen einmal wieder, dass die Fragen der neuen Technologien in Marokko sehr ungeschickt gehandhabt werden. Zum Beispiel ist Marokko das einzige Land der Welt, das den Zugang zu Google Earth und den Satellitenbildern auf Google Maps sperrt. Ich persönlich verstehe nicht, was das mit Sicherheitsfragen zu tun haben könnte, denn man kann auf die Bilder trotzdem einfach zugreifen.

Was den Fall Mourtada angeht wäre es einfacher gewesen, Facebook zu bitten, das Profil zu löschen und seinen Urheber zu kontaktieren, um ihm mitzuteilen, dass falsche Profile in anderen Teilen der Welt toleriert werden, die Dinge in Marokko aber anders sind.

Man muss auch daran erinnern, dass die Geständnisse von Fouad Mourtada nach langer Folter erreicht wurden. Und alles, was ihm vorgeworfen wurde ist, ein falsches Profil angelegt zu haben. Die Behörden hätten ihren Diensteifer in wesentlich schwerwiegenderen Fällen für die Gesellschaft und die Wirtschaft beweisen können, wie zum Beispiel der Korruption.

Wer hat ihrer Meinung nach die Verhaftung initiiert?

Es ist schwierig, eine rationale Erklärung für diese unangemessene Reaktion zu finden. Die Presse hatte von der Existenz eines Facebook-Profils unter dem Namen des marokkanischen Königs berichtet. Diejenigen, die solche Seiten kennen, wissen sehr gut, dass es sich um ein falsches Profil handeln muss. Es ist möglich, dass die Behörden zeigen wollen, dass sie diese falschen Profile nicht tolerieren. Man weiß nicht, wie die Behörden das dann bis zu Fouad Mourtada zurückverfolgt haben. Ich frage mich: Haben Facebook und / oder der marokkanische Provider mitgeholfen?

Screenshot der Seite www.motic.blogspot.com
Hier wird in Zukunft nicht mehr gebloggt: Drissi Bakhkhats Blog MoTIC

Man darf auch nicht vergessen, dass jeder sonst auf der Welt solche Profile anlegen kann und dass die Reaktion der Behörden den perversen Effekt haben könnte, dass sich solche Profile vervielfältigen. Das erinnert mich daran, als Youtube im Mai 2007 blockiert wurde. Die Sperre, die nach Protesten der Internetnutzer schnell wieder aufgehoben wurde, hat nur dazu geführt, dass zwei Marokko beleidigende Videos noch populärer wurden. Damals hat niemand daran gedacht, eine Untersuchung anzustrengen.

Ist der Fall Mourtada symptomatisch dafür, wie die marokkanische Obrigkeit auf das Internet reagiert?

Außerdem führt die Sperre von Google Earth seit August 2006 und Google Maps seit dem Sommer 2007 dazu, dass diejenigen, die auf die Seite zugreifen wollen, Tools nutzen, mit denen sie anonym surfen können. Das macht es schwieriger, sie ausfindig zu machen. Als Youtube gesperrt wurde hat es die beleidigenden Videos nur berühmter gemacht und die Neugier der Internetnutzer hervorgerufen. Der Fall Mourtada hat seinerseits die Aufmerksamkeit der Internetbenutzer und der ganzen Welt auf den Zustand der marokkanischen Justiz gelenkt. Marokko gewinnt nicht viel, wenn es solche Fälle so behandelt, sondern verliert, was sein Image angeht. Es ist nicht lange her, da feierte die Presse die freie Meinungsäußerung im Netz und den Reichtum der marokkanischen Blogsphere, eine der aktivsten der arabischen Welt. All das ist jetzt mit dem Fall Mourtada vorbei.

Ich habe selber einen Blog, der sich mit den neuen Technologien beschäftigt. Das war für mich auch eine Möglichkeit, gegen die Internet-Zensur in Marokko zu protestieren. Ich habe die Entscheidungen der Regierungen und der Zensur immer offen kritisiert, im Internet oder im Fernsehen. Aber nach dem Fall Mourtada habe ich beschlossen, aufzuhören, diesen Blog zu füttern. Denn ich glaube nicht mehr, dass die Meinung der Blogger die marokkanische Obrigkeit interessiert. Ich interpretieren den Fall Mourtada als das Ende der Freiheit des Internets in Marokko.

Mohamed Drissi Bakhkhat ist Dozent für Wirtschaft in Tanger und bloggte bis zum Fall Fouad Mourtada auf MoTIC und EcoMaroc. Diese zählen zu den bekanntesten und am meisten gelesenen marokkanischen Blogs.