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Senegal

20. Januar 2010

Im Zuge der Dekolonisation waren junge Westafrikaner fasziniert von einem neuen Begriff: la Négritude. Geprägt wurde er in den 1930er Jahren von dem Autor Aimé Césaire und seinem Studienfreund Léopold Sédar Senghor.

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Der frühere senegalesische Präsident Léopold Sédar Senghor 1977 (Foto: picture-alliance)
Léopold Sédar SenghorBild: picture-alliance/dpa

Die Négritude kämpfte für die Selbstbestimmung Afrikas und gegen die Vorherrschaft der Europäer. Während die Kolonisatoren behauptet hatten, dass Afrika keine eigene, beziehungsweise nur eine minderwertige Kultur habe und dass die Afrikaner Zivilisation und Fortschritt ausschließlich den Europäern zu verdanken hätten, ging es der Négritude um Gleichberechtigung: Senghor und seine Mitstreiter stellten klar, dass die schwarze Kultur zwar anders, aber genau so wertvoll ist wie die weiße. Senghor hat – obwohl er selbst immer zwischen westlicher und afrikanischer Welt hin- und hergerissen war – unermüdlich "die Werte der schwarzen Zivilisation" hervorgehoben.

Neues Gefühl der Selbstbestimmung

Aimé Césaire 2007 (Foto: picture-alliance/dpa)
Begründer der Négritude: Aimé CésaireBild: picture-alliance/dpa

Damit hat Senghor die Emanzipationsbemühungen der neuen Generation junger Afrikaner in Westafrika erleichtert. Über die Négritude setzte sich zunehmend ein neues kulturelles Selbstbewusstsein und Selbstwertgefühl durch, das den Weg auch zur politischen Unabhängigkeit ebnete. Senghor gehört zweifellos zu den wichtigsten Köpfen der Unabhängigkeit. Allerdings gibt es auch kritische Stimmen: Die Négritude habe die Gegensätze zwischen schwarz und weiß zu stark hervorgehoben. In der Tat hat Senghor gern die Sinnlichkeit und Emotionalität der Afrikaner betont, während sich die Europäer einbildeten, rationales Denken würden nur sie selbst beherrschen. Das zementierte Vorurteile, die sich bis heute halten. Nach dem Motto, wie der Schriftsteller Wole Soyinka einmal lästerte, "die Schwarzen tanzen und die Weißen denken".

Liebe zur Sprache

Als Poet hat Léopold Senghor Weltruhm erlangt. Ihm und anderen großen senegalesischen Dichtern und Denkern ist es zu verdanken, dass der Senegal bis heute das kulturelle Zentrum Westafrikas ist. Natürlich fragen Kritiker, was es denn den zahllosen senegalesischen Analphabeten nützt, dass die französischsprachige Literatur des Landes in aller Welt geschätzt wird. Die Antwort ist: Gerade Senghor hat auch als Präsident in vielen Reden die Bedeutung der Sprache betont. Damit hat er dazu beigetragen, dass die meisten Senegalesen Sprache lieben: egal ob Französisch, Wolof oder andere afrikanische Sprachen. Egal ob geschrieben, gesprochen oder gesungen. Der senegalesische Schriftsteller Amadou Lamine Sall hat es mit folgendem Tipp pointiert: "Wenn Sie in der Stadt von senegalesischen Polizisten angehalten werden, dann tragen Sie ihnen einfach ein Gedicht vor. Damit stehen Ihre Chancen gut, dass die Polizisten Sie ungehindert weiterfahren lassen."

Zwiespältiges Erbe

Politische Proteste im Senegal 2007 (Foto: AP)
Schwieriger Weg in die Demokratie: Polizei geht gegen Oppositions-Anhänger vorBild: AP

Senghor war nicht nur Dichter und Philosoph, sondern auch Politiker. Und auch in diesem Bereich ist sein Erbe zwiespältig. Als Präsident hat er den Senegal zwei Jahrzehnte lang regiert und das Land stabilisiert. 1980 übergab er sein Amt – gewaltlos – an seinen Nachfolger, was für Afrika in dieser Zeit bemerkenswert war. Aber auch Senghor, der als Dichter gegen jede Form von Unterdrückung anschrieb, unterdrückte als Präsident selbst mit aller Gewalt die Opposition im Senegal. Auch er war offenbar mit der Aufgabe überfordert, innerhalb weniger Jahre eine echte Demokratie zu schaffen.

Ein Vorreiter für Freiheit, Demokratie und Toleranz war der erste Präsident Senegals in der Praxis nicht. Es gibt nicht viele Nelson Mandelas in Afrika. Léopold Sédar Senghor war auch keiner.

Autorin: Klaudia Pape

Redaktion: Katrin Ogunsade