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Das Feilschen kann beginnen

Alexander Kudascheff25. August 2004

Es war eine Stippvisite mitten in den Sommerferien, für die der neue EU-Kommissionspräsident Jose Barroso seine 24 bestallten, aber noch nicht vom Parlament bestätigten Kommissare nach Brüssel lud. Wozu?

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Alexander Kudascheff

Bei dem Treffen ging es darum, sich ein bisschen kennenzulernen, die Regeln des Miteinanders zu bestimmen, die Aufgaben-, sprich die Ressortzuteilung abzunicken und vor allem eins zu spüren: Barroso ist die Nr. 1 - und er will es auch sein. Ohne Wenn und Aber.

Barroso bestimmt die Richtlinien der Politik der Europäischen Kommission. Dazu hat er zum einen die gesamte außenpolitische Zuständigkeit unter sich zusammengefasst - und sagt auch, wo es im Lissabon-Prozess - der sogenannten Aufholjagd der Europäer in der globalisierten Wissenswelt - lang geht. Und nach außen, sprich zu den Staats- und Regierungschefs, die ihn benannt haben, spricht Barroso auch eine klare Sprache: Er besteht darauf, dass die EU im Haushaltszeitraum vcon 2007 bis 2013 vernünftig finanziert ist. Damit hat er den Fehdehandschuh ausgepackt - kein Zweifel.

Worum geht es? Die EU- Kommission möchte für den kommenden Haushalt die Ausgaben erhöhen, denn das Europa der 25 und demnächst 27 hat mehr Aufgaben denn je. Statt der bisherigen rund 100 Milliarden Euro per annum will man bis 2013 rund 143 Milliarden ausgeben. Die Berechnungsgrundlage dabei: Die Staaten führen rund 1,14 Prozent ihres Bruttonationaleinkommens nach Brüssel ab. Soweit ist das alles in Ordnung - aber: Die sogenannten Nettozahler, also die Länder, die mehr nach Brüssel überweisen als sie herausbekommen, haben schon vor Monaten in einem Brief an den italienischen Noch-Präsidenten Prodi geschrieben, sie wollten nicht, dass mehr als ein Prozent des BNP ausgegeben würde. Das sei ihre Schmerzgrenze. Denn sonst würde beispielsweise ein Land wie Deutschland statt der rund 10 Milliarden, die es heute netto abgibt, an die 13, manche meinen sogar an die 17 Milliarden Euro abgeben müssen.

Undenkbar in Zeiten leerer Kassen - unabhängig von der bekannten Europabegeisterung aller deutschen Regierungen. Andererseits: Bei allem Respekt vor dem Sparwillen Berlins, Paris, Londons, Stockholms oder Den Haags: Auch diese Staaten haben bis jetzt nur Nein gesagt. Von einer Reform des europäischen Haushalts - in dem fast die Hälfte für die Bauern, und ein gutes Drittel für die zum Teil sinnlose Strukturförderung von Regionen ausgegeben wird - ist bei den Nettozahlern nicht, vielleicht noch nicht die Rede. Denn, eins ist klar: Egal, wieviel Geld Barroso fordert, geben werden es die Staats- und Regierungschefs nach einem monatelangem Feilschen selbst um kleinste Details.

Beim letzten Mal - 1999 in Berlin - haben sich sowohl Frankreichs Chirac als auch Spaniens Premier Aznar als Weltmeister ermüdender und zermürbender Verhandlungstaktik erwiesen. Sie sagten gerne morgens um halb fünf "Non" oder "No" und pokerten gegen die übermüdeten Anderen um noch ein paar Millionen hier oder dort. Und jetzt sitzen ja noch andere ebenfalls gerissene Unterhändler (so die Polen) mit am Tisch. Dagegen wird ein großer Basar wahrscheinlich wie ein Kinderladen wirken.

Immerhin: Die Kommission unter ihrem selbstbewussten Chef, der sehr schnell unbestrittenen Nr.1 - worüber sich der eine oder andere immer noch wundert - hat klar gemacht: Mehr Europa geht für weniger Geld nicht. Den Knoten zerschlagen aber müssen die Staats-und Regierungschefs. Das werden lange Nächte - und so ist es nicht verwunderlich, daß Deutschland seine Präsidentschaft mit Finnland getauscht hat. Diesmal will Berlin mitpokern - und nicht vermitteln, was zum Schluss immer den eigenen Geldbeutel trifft. Und von der Türkei, die ja auch beitreten will - und den immensen Kosten - man spricht von rund 50 Milliarden Euro in drei Jahren - redet erst gar niemand. Darüber gehen bis jetzt alle großzügig hinweg. Schließlich darf ja eine strategische Neuausrichtung nicht am Geld scheitern. Oder doch?