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Sierens China

Frank Sieren18. Juli 2014

Milliarden Menschen haben die Fußball-Weltmeisterschaft verfolgt. Doch erst in der Woche nach dem Turnier wurde mit dem BRICS-Gipfel in Brasilien tatsächlich Geschichte geschrieben, meint DW-Kolumnist Frank Sieren.

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Brasilien Fortaleza BRICS Treffen 15.07.2014
Bild: Reuters

In Fortaleza folgt gerade ein globales Großereignis dem nächsten. In den vergangenen Wochen war die Stadt im Norden Brasiliens noch einer der Austragungsorte der Fußball-Weltmeisterschaft. Die meisten Fans sind schon Anfang der Woche abgereist, dafür waren jetzt Spitzenpolitiker aus aller Welt da. Nun ja, zumindest die aus der neuen Welt. Die Staatschefs von Brasilien, Russland, Indien, China und Südafrika trafen sich in den zurückliegenden Tagen in der Hafenstadt zu ihrem jüngsten BRICS-Gipfel.

Historischer Gipfel Fortaleza

Auch wenn sich für dieses Treffen längst nicht so viele Menschen begeistert haben wie für die WM: In die Geschichte eingehen wird der Gipfel von Fortaleza trotzdem. Denn deutlicher als jemals zuvor haben die aufstrebenden Wirtschaftsmächte der Welt dort klar gemacht, dass sie zusammenarbeiten wollen. Und die Regeln, die ihnen westliche Institutionen seit Jahrzehnten diktieren, nicht länger bereit sind zu akzeptieren.

Wichtigste Entscheidung der Konferenz: Endlich haben die beteiligten Staaten alle Streitpunkte aus dem Weg geräumt und die schon seit langer Zeit geplante BRICS-Bank als Gegenstück zur Weltbank auf den Weg gebracht. Die neue Bank hat ihren Sitz in Shanghai. Als erster Präsident wird ein Inder die Bank leiten, anschließend wechselt der Chef alle fünf Jahre.

Jeder der fünf Gründungsstaaten steuert zunächst zehn Milliarden US-Dollar als Startkapital bei. Die Einlagen sollen von 50 auf 100 Milliarden Dollar steigen. Finanziert werden sollen mit dem Geld Projekte in den Staaten selbst, aber auch in anderen Entwicklungsländern und Regionen. Außerdem wird mit 100 Milliarden US-Dollar ein neuer BRICS-Währungsfonds ausgestattet, wobei China mit über 41 Milliarden Dollar den größten Teil übernimmt. Brasilien, Russland und Indien geben jeweils 18 Milliarden, Südafrika ist mit fünf Milliarden Dollar dabei. Der neue BRICS-Fonds spiegelt unverkennbar den Internationalen Währungsfonds (IWF) wieder, also ebenfalls eine Institution, die man aus der alten Welt gut kennt.

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DW-Kolumnist Frank SierenBild: Frank Sieren

BRICS-Staaten auf Augenhöhe

Woher die Gründungswut der BRICS-Stasten kommt ist klar: sowohl Weltbank als auch der IWF haben es zu lange versäumt, mit den Partnern aus den Emerging Markets auf Augenhöhe umzugehen. Mit Krediten wurde stets gegeizt, und wenn sie dann doch vergeben wurden, waren sie meist an Bedingungen geknüpft, die zwar den Wertvorstellungen der USA und des Westens entsprechen mögen, mit den Wünschen der Schwellenländer aber wenig gemein hatten. Aus Wut vor der Uneinsichtigkeit des Westens ist also eine Nachfrage nach neuen Handelsorganisationen entstanden.

Und deshalb gründen die Emerging Markets einfach ihre eigenen Netzwerke, in denen der Westen außen vor ist. BRICS-Bank und -Fonds sind dabei nur zwei unter vielen Neugründungen. Laufend entstehen neue Freihandelsabkommen über Kontinente hinweg. Auch ein eigener Wirtschaftsgipfel wie in Davos wurde vergangenes Jahr gegründet. Und so, wie die Emerging Markets immer wieder in der Welthandelsorganisation (WTO) rumgeschubst werden, dürfte es nur noch eine Frage der Zeit sein, bis auch hier eine Alternative gestartet wird.

Auch BRICS nicht frei von Spannungen

Allerdings ist auch klar: Es ist keine ausgemachte Sache, dass die neuen Clubs der Weltwirtschaft tatsächlich funktionieren werden. Schließlich gibt es auch unter den neuen Großmächten zunehmend Spannungen. Vor allem Peking hat in diesem Bündnis nun ein großes Problem. Denn neben Brasilien, dessen Wirtschaft zwar von der WM und auch von den Olympischen Spielen in zwei Jahren noch stimuliert wird, danach aber erstmals in ein Loch fallen wird, sieht es auch bei den anderen drei Partnern wirtschaftlich gerade mau aus. Südafrika hat schon in den vergangenen Jahren eine längere Schwächephase durchgemacht. Russlands Wirtschaft ist zu sehr auf Rohstoffexporte ausgerichtet und damit zu schwach aufgestellt. Auch der Ukraine-Konflikt macht der russischen Wirtschaft inzwischen zu schaffen. Für Indien gilt ähnliches wie für Brasilien: Die Infrastruktur ist schlecht, notwendige politische Reformen werden seit Jahren verschleppt. Dass der neue Premierminister Narendra Modi diese Missstände in den Griff bekommt, muss er erst noch beweisen.

Bei diesen Rahmenbedingungen zieht der Klassenprimus China natürlich neidische Blicke der anderen Emerging Markets auf sich. Was also tun? Peking bleibt nur eines übrig: Es muss gegenüber den Anderen so bescheiden wie möglich auftreten. Sonst läuft es Gefahr, von den anderen Schwellenländern, genau wie der Westen, nicht als Verbündeter, sondern als Bedrohung wahrgenommen zu werden.

China - der Primus von BRICS

Ein Ass im Ärmel haben die Chinesen aber in jedem Fall: Denn Sie sind nicht nur der größte Partner des BRICS-Bündnisses, sondern auch der mit den international besten Kontakten. Daheim in Asien reiben sich die Nachbarn zwar auch immer öfter an der Stärke des Riesenreichs, wirtschaftlich sind sie ihm aber absolut treu. In Afrika verfügt China sogar über engere Bündnisse als Platzhirsch Südafrika. Und auch in Süd- und Mittelamerika ist China mit vielen Staaten besser im Geschäft als Brasilien.

Chinas Präsident Xi Jinping jedenfalls wird nach dem Fortaleza-Gipfel nun erstmal durch Argentinien, Venezuela und Kuba touren, nachdem sein Außenminister Wang Yi bei seiner Reise vor drei Monaten schon mal die Stimmung vorgewärmt hat. Auch das wird also ein Besuch bei Freunden. Gelingt es China, sein Netzwerk zu nutzen, um weitere Staaten zu überzeugen sich anzuschließen und so die BRICS-Idee weiter gedeihen zu lassen, werden die schwächeren Partner Peking nicht mit Neid, sondern Dankbarkeit begegnen.

Unser Kolumnist Frank Sieren gilt als einer der führenden deutschen China-Spezialisten. Er lebt seit 20 Jahren in Peking.