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Das freie Wort als Quell der Demokratie

Heinrich Bergstresser16. November 2002

Der "Writers-in-Prison-Day" prangert die Repression gegen Schriftsteller an - ein wichtiges Thema, besonders in autoritär regierten Staaten. Aber auch im Westen ist die Freiheit des Wortes gefährdet.

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Freiheit und Demokratie basieren auf Meinungsfreiheit, Gedankenfreiheit, auf die Freiheit des geschriebenen oder gesprochenen Wortes schlechthin. Aber erst die Kulturtechnik des Lesens und Schreibens schafft eine unabdingbare Voraussetzung, als Bürger an der Entwicklung einer freiheitlichen Gesellschaft teilzunehmen und sie zu beeinflussen. So sind es von je her in erster Linie Schriftsteller und Journalisten, die als Intellektuelle, als Denker das geistige und literarische Material liefern, mit dem Bürger politische und gesellschaftliche Freiräume denken und sich erkämpfen können.

Und genau aus diesen Gründen stehen sie seit Menschengedenken im Fadenkreuz der Mächtigen und Herrschenden, sind zugleich Täter und Opfer. Täter, in dem sie als kritische Stimmen Machthabern Furcht einflößen. Opfer, weil in zahlreichen Ländern Autoren ständig mit einem Bein im Gefängnis stehen, hohe Strafen ertragen oder für das, was sie schreiben, gar mit dem Leben bezahlen zu müssen.

Seit über 80 Jahren kämpfen die internationale Schriftstellervereinigung P.E.N. und seit über 40 Jahren ihre Tochterorganisation, das "Writers-in Prison-Committeee", für die Freiheit des Wortes. Beide versuchen, Repression, Zensur und drakonischen Strafandrohungen zu trotzen. Sie glauben an die Macht des Wortes. Und sie sind überzeugt, dass freies Schreiben Leben bedeutet - und Schweigen letztlich nicht anderes ist als der Tod. Und viele Schriftsteller haben sogar dann Mut, ihre Stimme zu erheben, wenn sie dafür sterben oder zumindest leiden müssen - wie zum Beispiel viele Autoren in Ländern wie Algerien, Russland, im Iran, in der Türkei, in China oder in Kolumbien.

Seit einem Jahr scheinen aber auch die Freiräume in den westlichen Demokratien enger zu werden. Denn die schleichende Zunahme autoritärer Strukturen nach einer bislang nicht gekannten weltweiten Terrorwelle unterwandert die Freiheit des Denkens. Unterwandert wird damit auch die kreative Möglichkeit, dem eigentlichen Feind unserer Zeit, dem Fundamentalismus und seiner gewalttätigen Ausprägung, dem Terrorismus, politisch entgegenzutreten.

Weltweit ist die Zahl inhaftierter Autoren ist in den vergangenen 12 Monaten explosionsartig nach oben geschnellt. Aber der Schrei nach noch mehr Sicherheit durch neue Gesetze, nach mehr Militär und mehr hochgerüsteten und kostspieligen Sicherheitsdiensten produziert nicht mehr Sicherheit, sondern verstellt den Blick auf das Wesentliche: dass nämlich Freiheit und Demokratie auf Dauer die stärksten und kostengünstigsten Waffen sind. In diesem Kontext sind Schriftsteller, Journalisten und ihre weltweiten Vereinigungen mehr denn je gefragt. Ohne das geistig-literarische Material zur Verteidigung der Freiheit von Wort und Denken stünde es weltweit noch viel schlechter um Freiheit und Demokratie.