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"Das Ganze ist eine Zeitreise"

Das Gespräch führte Elena Ern26. Februar 2003

Künstler, die Krieg und Terror am eigenen Leib erlebt haben, inspirierten Udo Lindenberg zu seinem jüngsten Projekt "Atlantik Affairs." Der Deutschrocker sprach mit DW-WORLD über Krieg, Frieden, Musik und Freundschaft.

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Udo Lindenberg auf neuen ReisenBild: AP

Herr Lindenberg, wie kamen Sie eigentlich auf die Idee, für ihr jüngstes Projekt "Atlantik Affairs" alte Stücke aus der Mottenkiste zu holen?

Ich habe geträumt, dass ich eine Erbschaft in New York mache . Als ich dahin komme, heißt es "April April, es gibt kein Geld", aber es gibt alte Koffer mit Manuskripten und Noten von Emigranten, die damals aus Deutschland vor den Nazis fliehen mussten. Ein paar Namen kennt man, wie Marlene Dietrich, Kurt Weil und Bertold Brecht, andere kennt man nicht. Ich habe also dieses Material entdeckt und wir haben es gesungen. "Atlantik Affairs" ist die Rückführung großer Songs aus jener Zeit, auch aus dem Berlin der 20er Jahre. Es sind wunderbare Songs, quirlig, provokativ und bunt. Die bunte Republik Deutschland, die damals schon gedacht war, und aus der nichts wurde.

Kann man sich das wie eine Art Musical vorstellen?

Ja. Ich komme nach New York und erbe diese Koffer und gehe damit an Bord eines Oceanliners, der nach Bremerhaven fährt. Gemeinsam mit anderen Leuten öffnen wir die Koffer und probieren die Songs aus. Das Ganze ist eine Zeitreise: New York, Hollywood, Berlin damals, Berlin jetzt, im Jahr 2003.

Eines der Stücke ist "Lili Marleen", ein Lied, das von Krieg und Zerstörung handelt, sehen Sie da einen aktuellen Bezug?

Leider stellt sich immer wieder die Frage, warum Leute losmarschieren müssen, um Menschen zu ermorden. Mach mir das mal klar: "Wozu sind Kriege da?" "Lili Marleen" wurde damals gesendet vom "Feinsender" BBC. 1943 sang es eine deutsche Schauspielerin, Lucy Mannheim, auch reflektierend auf das Nazi-Regime. Wir haben die dritte und vierte Strophe des Liedes neu getextet. Es handelt jetzt von der Haltung einer jungen Frau, die sagt: "Diesmal geb' ich meinen Mann nicht her!" Es ist also nicht mehr dieses Warten an der Laterne bis von der Front die böse Nachricht kommt. "Kannst du vergessen, ohne mich, Lili Marleen." Es ist die Haltung: Frau gegen den Krieg.

Sie haben schon immer Stellung zu politischen Themen bezogen. Wir konkret wollen Sie da jetzt vorgehen, in Bezug auf die Irak-Krise?

Ich finde das wichtig, dass die Leute auf die Straße gehen und sagen: der Krieg kann kein Mittel der Auseinandersetzung sein. Wir brauchen andere Lösungen. Es darf nicht zu einem Krieg kommen. Es geht nicht an, dass die irakische Zivilbevölkerung bombardiert wird, dass es viele Opfer geben wird für Öl und für sonstige Interessen. Gerade wir hier in Deutschland müssen in Sachen Krieg besonders sensibilisiert sein. Es ist gut, eine europäische Position zu beziehen, gegen die Bush-Regierung. Es gibt auch in den USA sehr viel Widerstand gegen den Krieg und diesen Widerstand zu unterstützen. Dazu können Lieder geeignet sein. Lieder können Antikriegbewegungen begleiten. So ist "Lili Marleen" gedacht. Ich hoffe, dass es etwas bringt.

Wie beurteilen Sie die aktuellen "Atlantik Affairs", also das Verhältnis zwischen Deutschland und den USA?

Dialog muss auf jeden Fall sein. Ich finde Joschka Fischer hat das in München sehr gut herübergebracht, als er sagte: "Unter Freunden ist man nicht immer einer Meinung." Letztlich wollen wir alle, dass die Regierung von Saddam Hussein beendet wird. Die Frage ist nur, wie das geht, ohne zivile Opfer, ohne Krieg. Das ist der richtige Weg. Man muss Anstrengungen unternehmen, das ohne Krieg hinzukriegen. Gleichzeitig muss ich immer sagen, wir brauchen einen prima Dialog mit den USA. Das ist eine wunderbare Freundschaft, die uns verbindet, und die auch nicht getrübt werden darf.

Wie reagieren denn ihre Fans auf ihr neues Projekt? Bei der Premiere in Hamburg gab es den größten Beifall, als Sie ihre Stücke, wie "Sonderzug nach Pankow" spielten.

Das ist ja immer so, dass die Menschen die Lieder am liebsten hören, die sie schon kennen. Aber ich habe ein sehr sensibles, neugieriges und pfiffiges Publikum das mich auf meinen experimentellen Wegen begleitet. Das Experiment ist wichtig, denn ich möchte dass mein Beruf spannend und abenteuerlich bleibt.