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Das Gesicht des Teufels

Daniel Scheschkewitz7. September 2006

Islamofaschisten – mit diesem neuen Begriff versucht Bush die Gegner im sogenannten "Krieg gegen den Terror" zu fassen und verlorenes Terrain zuhause zurück zu gewinnen.

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Das Böse hat bekanntlich viele Gesichter. Seit dem 11.September 2001 ist Osama Bin Laden eines davon und sicher der schlimmste unter den Bösewichten. Anders als Bin Laden, den die USA nach wie vor vergeblich jagen, sitzt Saddam Hussein, Präsident Bushs zweiter Intimfeind, inzwischen sicher hinter Gittern. Aber weil die Welt schlecht ist und im amerikanischen Denken Gut und Böse ihren festen Platz haben müssen, sind inzwischen neue Übeltäter am Horizont aufgetaucht. Einer davon ist Machmud Ahmadineschad, Irans Präsident, der unverhohlen nach der Atombombe greift und sich höhnisch über die diplomatischen Offerten des Westens hinwegsetzt. Doch damit nicht genug, die Hisbollah im Libanon, die terroristische Hamas in den Palästinensergebieten, die widererstarkende Taliban in Afghanistan, Syriens Diktatoren.

In den Topf und rühren

Bush schmeißt alle Demokratiefeinde und Amerika-Gegner des Nahen Ostens in einen Topf, rührt einmal um und herauskommt die neue Kategorie im Kampf gegen das Böse: der Islamofaschist. Dies ist das neue Schlagwort der Propagandakünstler im Weißen Haus. Wahrscheinlich hat sich Karl Rove, der kluge Stratege in Präsident Bushs Wahlkampfteam, den Begriff höchstpersönlich ausgedacht. Seit einigen Tagen wird er von der Bushregierung aller Orten wie ein neues Zauberwort im Munde geführt. Verteidigungsminister Rumsfeld machte den Anfang und dachte man zunächst noch, der immer nach griffigen Formulierungen heischende Pentagonchef habe sich mal wieder bei der Wortwahl vergriffen, zog der Chef im Weißen Haus unmittelbar nach. Rechtzeitig zum bevorstehenden fünften Jahrestag des 11.Septembers präsentierte Bush den alten Feind in neuen Kleidern. Ganz nach der Devise: Wenn der Krieg schon schlecht läuft, muss wenigstens die Propaganda gut funktionieren.

Bin Laden auf eine Stufe mit Lenin und Hitler zu stellen, so wie es Bush in einer Rede in dieser Woche getan hat, mag nun zwar Historikern als durchaus problematisch erscheinen, in der innenpolitischen Debatte in den USA erfüllt der Vergleich seinen Zweck. Die Zauderer und Weicheier bei den oppositionellen Demokraten werden historisch diskreditiert. Die Irakkriegsgegner erscheinen als naive Pazifisten, die den historischen Charakter der Auseinandersetzung nicht begriffen haben. Sie werden als gefährliche Umfaller gebrandmarkt, die aus der Geschichte des 20. Jahrhunderts nun rein gar nichts gelernt hätten und mit Amerikas Sicherheitsinteressen gar leichtfertig umgingen.

Achse der Bösewichter

Es wurde höchste Zeit, dass man im Weißen Haus auf neue Ideen, oder doch zumindest einen neuen Begriff kam. Denn in neun Wochen wird in den USA gewählt und für Bushs Republikaner verheißen die Umfragen nichts Gutes. Also haben sich die Propagandisten im Weißen Haus gleichsam eine neue Achse des Bösen ausgedacht, die Achse der historischen Bösewichter: Lenin, Hitler und Bin Laden. Seltsam nur dass Lenin und nicht Stalin das Rennen machte. Man mag geneigt sein, Präsident Bush einen kleinen Nachhilfekurs über russische Geschichte zu empfehlen. Aber sei’s drum. Entscheidend ist, dass der Teufel einen Namen hat. Egal, ob sich dahinter nun ganz unterschiedliche historische Phänomene verbergen. Wie sonst könnte man ihn auch mit dem Beelezebub austreiben?