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Das Glück der Versager

Stephan Bachenheimer14. Oktober 2005

Gäbe es einen Begriff des Jahres in Amerika, dann wäre es aller Wahrscheinlichkeit "you're fired", - "Du bist gefeuert". In den USA ist das nicht gleich ein Unglück.

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Seit Immobilienkönig Donald Trump mit seiner Fernsehserie "The Apprentice" (Der Lehrling) jedem Amerikaner das größte Drama der Arbeitswelt als Reality Show im Wohnzimmer präsentierte, ist "you're fired" zum geflügelten Wort geworden. Für Europäer ein scheinbarer Beweis für die rücksichtslose Arbeitswelt Amerikas. Ein Indiz für soziale Kälte. In Amerika sieht man das anders.

Trumps alarmierend schlechter Geschmack

Mit "you're fired" und dem dazugehörigen energischen Fingerzeig ist Donald Trump zum Medien-Superstar geworden. Die Abgründe und Ängste der Arbeitswelt sind als Fernsehserie so populär, dass Donald Trump fast zu einer Kündigungsmaschine mutiert ist und nach wie vor, vielleicht sogar täglich, Leute in aller Öffentlichkeit feuert. Mancher wird argumentieren, dass die Popularität noch weitere Gründe hat: Donald Trump füllt die Klatschspalten der Zeitungen, weil er so häufig heiratet und sich scheiden lässt. Außerdem kneift er seine Augen gern zusammen um streng zu gucken und seiner Vorstellung eines Immobilienmoguls gerecht zu werden. Das prägt sich ein. Zudem hat er einen alarmierend schlechten Geschmack, ist vorlaut und unhöflich.

Trotzdem prangt er auf den Titelseiten der Zeitschriften: mit Tipps zur Jobsuche, Einstellungstipps für Manager und Lebensweisheiten rund um die Vorstandsetage. Sein wichtigster Ratschlag: Gefeuert werden ist gut. Der Einschnitt von außen schafft Gelegenheiten, Neues auszuprobieren. Chancen, die sich in der scheinbar perfekten Karriere nicht bieten, weil man sich normalerweise der Sicherheit halber an seinen Job klammert. Trump provoziert. Aber er weiß, wovon er redet. Er war selbst bankrott und hat sein Imperium neu aufgebaut.

Beispiel Steve Jobs

Auch Steve Jobs, der Chef des kalifornischen Computerherstellers Apple, blickt auf Episoden im Lebenslauf, bei der mancher Personalchef Sorgenfalten auf der Stirn hätte. Sein Erfolg hat auch ihn in die Riege der Unternehmer Superstars befördert. Als Steve Jobs in dieser Woche die neuesten Apple-Produkte in Kalifornien vorstellte, war nicht nur der neueste iPod-Spieler Star der Veranstaltung, sondern wie immer auch der vom weltweiten Fanpublikum bewunderte Firmenchef selbst. Jobs konnte verkünden, dass Apple erfolgreicher und größer ist als je zuvor. Und der Sender CNN unterbrach sein Programm, um die neuesten Produktnachrichten des Propheten der Computerzukunft weiterzureichen.

Steve Jobs war ein Adoptivkind, er schmiss sein Studium, lebte eine Zeitlang von Flaschenpfand und ließ sich von einem Hare Krishna-Tempel einmal wöchentlich kostenlos verpflegen. Keine Vorlage für einen lückenlosen Lebenslauf. Mit einem Freund bastelte er Computer in einer Garage zusammen, gründete Apple und wurde mit 30 aus der eigenen Firma gefeuert, die er viele Jahre später wieder übernahm.

"Es hat mich befreit"

In einer sehr persönlichen Rede vor Absolventen der Stanford Universität fasste er seine Erfahrung vor einiger Zeit so zusammen: "Ich habe es erst nicht gesehen, aber von Apple gefeuert zu werden, war das Beste was mir jemals passiert ist. Die Last, erfolgreich zu sein, war plötzlich von mir genommen und ersetzt von der Leichtigkeit, wieder ein Anfänger zu sein, der sich nicht jeder Sache mehr sicher ist. Es hat mich befreit, um in eine der kreativsten Phasen meines Lebens einzutreten."

Keine Frage: als Jobs die Kündigung erhielt, musste er nicht um seine Existenz bangen. Aber um sein Prestige. Die Betrachtungsweisen zu "you're fired" sind vielfältiger als europäische Zeigefinger Richtung Amerika es vermuten lassen würden.