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Das große Austernfressen

Ingun Arnold / Zulfikar Abbany10. März 2004

Austern sind ein Leckerbissen. Sie zu essen, ist allerdings nicht ganz ungefährlich. Außerdem ist Auster nicht gleich Auster. Australische Wissenschaftler haben ihr Wissen jetzt in den Dienst der Delikatesse gestellt.

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Der Luxus-Glibber soll länger haltbar bleiben

Als erstes: Austern müssen unbedingt frisch sein. Sonst ist das Vergnügen schneller vorbei, als einem lieb sein kann. Und zwar lebenslänglich. Und zweitens: Die Auster zu öffnen, ist ein Kraftakt. Wer mit den dafür vorgesehenen Gerätschaften – Austernbrecher und Kettenhandschuh – nicht umgehen kann, dem kann es passieren, dass er statt der Auster die eigene Pulsader öffnet.

Dieses doppelte Risiko zu minimieren, haben sich australische Wissenschaftler vorgenommen: Sie entwickelten ein Hochdruckverfahren, welches die Lebenserwartung der Auster entscheidend verlängert und sie obendrein verzehrfertig öffnet. Und ganz nebenbei machen sie damit eine der berühmtesten Delikatessen Australiens reisefähig: die Auster vom Sydney Rock.

Australische Austern als Exportschlager

Nicht einmal für Unsummen Geldes konnte bis dato die Auster mit dem hübschen lateinischen Namen Saccostrea commercialis (!) auf europäische und nordamerikanische Feinschmeckertische exportiert werden. Die Austern wären unterwegs schlichtweg ungenießbar geworden. Was man normalerweise in Europa auf den Teller bekommt, ist die weitaus kleinere Pazifische Auster. Sie wird seit Mitte der 1980er-Jahre in der Blidsel-Bucht auf Sylt kultiviert. Auf Miesmuschelbänken in der Gezeitenzone bilden sie regelrechte Riffe. Einige Muschelbänke beherbergen bis zu hundert Austern pro Quadratmeter.

Die pazifische Auster hat die einst so beliebte europäische Auster ersetzt. Deren Bestände sind komplett überfischt worden. Versuche, als Ersatz Austern aus Frankreich, Holland, Portugal und den USA im Wattenmeer anzusiedeln, schlugen fehl. Erst die aus Japan stammende pazifische Auster brachte den erwünschten Erfolg. "Die Sylter Bestände haben sich so stark vermehrt, dass die ersten Jungtiere inzwischen nach Helgoland ausgewandert sind", erzählt der Leiter der Biologischen Anstalt Helgoland, Fritz Buchholz. Dennoch: Wer's wirklich Schicki-Micki mag, für den sind die "Eingewanderten" keine Alternative. Schon gar nicht zur Auster vom Sydney Rock.

Wissenschaft und Marketing

"Die Auster vom Sydney Rock ist Australiens ureigenste Auster", erklärt George Des, Direktor der Exportfirma Australian Seafood Connection in Melbourne. "Die wächst nur an der Küste von New South Wales, sonst nirgendwo auf der Welt." Die australischen Austern brauchen drei bis vier Jahre, bis sie zirka 60 Gramm schwer und damit marktreif sind. In freier Wildbahn können sie bis zu zehn Jahre alt werden. Seit mehr als 8000 Jahren werden sie verspeist.

"Die Sydney-Rock-Auster schmeckt viel besser als andere Austern – so, wie sich halt auch ein Rolls Royce oder ein Ferrari von normalen Autos unterscheiden", preist Des seine Ware an. Deshalb hat seine Firma auch zusammen mit den Wissenschaftlern von Food Science Australia, einem Forschungsinstitut der australischen Regierung, ein Verfahren entwickelt, das die Austern länger frisch hält. "Die Auster verdirbt normalerweise nach ungefähr fünf Tagen", erzählt Des. "Mit dem neuen Hochdruckverfahren können wir sie bis zu 30 Tage haltbar machen." Ohne Geschmacksveränderung.

Der Trick mit dem Druck

"Das Grandiose an diesem Verfahren ist, dass sich der Druck überall und zu jeder Zeit gleichmäßig verteilt", berichtet Wissenschaftler Kees Versteeg. "Das Ganze geht ohne unerwünschte Nebeneffekte ab." Der Versuchsbottich fasst 35 Liter, die kommerziell eingesetzten Behältnisse 200 bis 300 Liter.

2000 Austern stehen dort für sechs Minuten unter dem Druck von 30.000 "Wassermetern" - was drei Mal so viel ist wie der Druck an der tiefsten Stelle der Weltmeere. "Der hohe Druck zerstört einige der Austern-Proteine. Sie können dann ihre Schalen nicht mehr zusammenhalten" erklärt Versteeg. "Aber ansonsten ist alles, wie es sein soll: Die Auster sieht frisch aus und schmeckt lecker."