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Das Gruseln daheim

Katharina Borchardt12. März 2003

Regionalkrimis werden immer beliebter; die einschlägigen Verlage expandieren: Zu den fast schon klassischen Revier- und Eifel-Krimis gesellen sich mittlerweile auch Münster-, Frankfurt- und Allgäu-Krimis.

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Idylle kann trügerisch seinBild: Bilderbox

Ein Regionalkrimi ist ein Krimi, der in einer bestimmten Region spielt, klar. Irgendwo muss eine Geschichte ja spielen. Deutsche Literatur der letzten Jahre spielt fast so ausschließlich in Berlin, dass ein anderer Ort zum literarischen Hintergrund kaum noch taugen mag. Doch dass nicht nur die Provinz auch mal etwas Anderes lesen möchte als Geschichten aus den Hauptstädten dieser Welt, zeigt sich am Phänomen der Regionalkrimis. Diese gibt es inzwischen aus allen größeren deutschen Städten, aus verschlafenen Kleinstädten und beschaulichen ländlichen Regionen.

Gute und schlechte Kriminalromane

Auffällig ist, dass die Regionalkrimis vor allem in der jeweiligen Region, in der sie spielen, aber darüber hinaus auch deutschlandweit viel gelesen werden. Natürlich hat der Verkaufserfolg auch mit der literarischen Qualität des Buches zu tun. Die kann sehr unterschiedlich ausfallen: in Sprache, Ausdifferenzierung der Charaktere und Stringenz der Handlung. Es gibt sehr schlechte Erzählungen. Andere Regionalkrimis sind wiederum von hervorragender Qualität, wie der bereits 1975 erschienene Klassiker von Jürgen Lodemann "Anita Drögemöller und Die Ruhe an der Ruhr" oder die aktuellen "Eifel-Krimis" von Jacques Berndorf.

Lokalkolorit

Die Romanfigur Anita Drögemöller spricht so, wie man im Pott eben spricht: "Geh mich doch außem Weech mit son Kokkelores." und "Wat kuckßänn so beknackt?" koddert die "Dröge" gerne. Die Menschen aus der Eifel sind da etwas zurückhaltender, aber nicht weniger authentisch. Und Authentizität verkauft sich gut. Mehr als zwei Millionen Exemplare der elf bislang erschienenen Bernsdorfer Eifel-Krimis wurden schon verkauft.

Authentizität zeichnet sich aber nicht nur durch korrekte Personen- und Ortsnamen aus, sondern auch durch fundierte Kenntnis der Gegend, der Menschen, ihrer Mentalität und unbedingt auch ihrer Sprache. "Man merkt schon, ob eine Autor wirklich aus der Gegend kommt, in der der Krimi spielt, oder ob er nur so tut", sagt Britta Schmitz vom Kölner Regionalkrimiverlag Emons. "Aber", so Ulrike Rodi vom Dortmunder Grafit-Verlag, "schon ihrer Vermarktung wegen müssen Regionalkrimis auch funktionieren und interessant für Leser sein, die woanders leben."

Der Krimi an sich

Fragt sich nur, warum sich der Leser Mord, Entführung und Zuhälterei so gern vor die eigene Haustür holt und nicht an klassischen Krimi-Schauplätzen in Großstädten wie New York, London oder Paris lassen mag. Die Gründe hierfür gehen wohl über das rein gemütliche Wiedererkennen des Bekannten hinaus. Ein Krimi zeichnet sich in der Regel dadurch aus, dass die bestehende soziale Ordnung durch ein Verbrechen durcheinander gebracht wird. Verunsicherung wird geschaffen, die jedoch durch den scharfsinnigen Kommissar, Detektiv oder Journalisten, der für das Gute kämpft, aufgelöst wird. Insofern ist das Gruseln nur temporär. Am Ende ist Ruhe eingekehrt und daheim alles wieder in schönster Ordnung. Ein weiteres beruhigendes Moment liegt in der logischen Durchschaubarkeit der rationalen, kriminologischen Analyse des Verbrechens. Kriminalliteratur ist in diesem Sinne ein Kind der Aufklärung und macht eine unüberschaubare Welt überschaubar.

Regionalkrimis dienen also in doppelter Weise der Eingrenzung von Welt: zum Einen durch ihren räumlich begrenzten, vielen Lesern gut bekannten Schauplatz, zum Anderen durch ihren Inhalt, in dem eine durch ein Verbrechen erschütterte Ordnung durch rationales Kombinieren wiederhergestellt wird. Beruhigend.