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Das Gute mit dem Nützlichen

Frank Sieren3. Juli 2014

Chinas Staatspräsident Xi Jinping hat der Korruption auf allen Ebenen den Kampf angesagt und bringt sogar hochrangige Kader zu Fall. Doch seine Motive sind weiterhin nicht eindeutig, meint DW-Kolumnist Frank Sieren.

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Xu Caihou, bis 2013 Vize-Vorsitzender der Zentralen Militärkommission, jetzt wegen Bestechlichkeit angeklagt (Foto: picture-alliance/dpa)
Xu Caihou, bis 2013 Vize-Vorsitzender der Zentralen Militärkommission, jetzt wegen Bestechlichkeit angeklagtBild: picture-alliance/dpa

Schon viele chinesische Präsidenten haben dem Volk versprochen, etwas gegen die seit Jahrzehnten im Land grassierende Korruption zu unternehmen. Chinas aktueller Staatsführer Xi Jinping ist allerdings der Erste, der zu Recht von sich behaupten kann, dass ihm nicht schon nach kurzer Zeit die Puste in diesem Kampf ausgegangen ist. Nachdem in den ersten eineinhalb Jahren seiner Amtszeit schon tausende Spitzenbeamte und auch ein Dutzend Spitzenfunktionäre ihren Posten räumen mussten, erwischte es Anfang dieser Woche nun Xu Caihou, einen der ranghöchsten Militärs des Landes. Er wurde aus der Kommunistischen Partei ausgeschlossen und wegen Bestechlichkeit angeklagt. Xu war bis 2013 Vize-Vorsitzender der Zentralen Militärkommission. Als zweiter Mann der Kommission, die das chinesische Militär kontrolliert, war Xu nur dem damaligen Präsidenten Hu Jintao unterstellt. Xu war zudem bis 2012 Mitglied des Politbüros, dem Machtzentrum des Landes.

Auch die Mächtigsten sind nicht mehr tabu

Dass gegen ein Mitglied des Politbüros wie Xu überhaupt ermittelt wird, wäre früher kaum denkbar gewesen. Doch dass Präsident Xi selbst mit ehemaligen Mitgliedern des Machtzentrums kein Pardon kennt, hat er bereits vor einigen Monaten klar gemacht, als Ermittlungen gegen den ehemaligen Chef der Staatsicherheit, Zhou Yongkang, bekannt wurden. Bei seiner Familie und Vertrauten sollen Assets im Wert von mindestens 90 Milliarden Yuan, also umgerechnet etwa 14,5 Milliarden Dollar, beschlagnahmt worden sein. Darunter angeblich Bankkonten über 37 Milliarden Yuan sowie ausländische Anleihen im Wert von 51 Milliarden Yuan, Wohnungen und Villen im Wert von 1,7 Milliarden Yuan, Antiquitäten und Gemälde von einer Milliarde Yuan sowie 60 Fahrzeuge.

Doch obwohl es im Volk gut ankommt, dass nun auch das Politbüro kein Tabu mehr für die Korruptionsbekämpfer ist, bleibt für Präsident Xi ein Problem. Man kann ihn zwar schon jetzt als einen der durchsetzungsfähigeren Staatspräsidenten bezeichnen. Er hat schließlich auch schon an anderer Stelle aufgeräumt. Dass Xi die Macht auf sich fokussieren würde, war schon kurz nach seinem Amtsantritt klar. Eine seiner ersten Handlungen war es, das Militär umzukrempeln. Dutzende Generäle, die ihm nicht passten, ließ er durch eigene Leute austauschen, zahlreiche Privilegien des Kaders wurden radikal beschnitten und auch einige unliebsame Parteichefs in den Provinzen mussten gehen.

Frank Sieren (Foto: privat)
DW-Kolumnist Frank SierenBild: Frank Sieren

Geht es wirklich nur um den Kampf gegen Korruption?

Xi ist also schon nach 18 Monaten im Amt ein ungewöhnlich starker Präsident. Allerdings hat seine Durchschlagskraft auch Schattenseiten: Sie kann auf Kosten der politischen Vielfalt gehen. Schon viele seiner Kritiker haben in den vergangenen Monaten die Frage gestellt, inwieweit Xi das Gute mit dem für sich Nützlichen verbunden und lediglich seine politischen Gegner ausgeschaltet hat? Zhou zum Beispiel ordnen viele als eindeutigen Gegner des Präsidenten ein. Doch auch darüber gehen die Einschätzungen in China weit auseinander. Wer Freund und Feind ist, lässt sich nicht so leicht auseinanderdividieren. In jedem Fall verwässern die Diskussionen das politische Ansehen Xis. Auch bei dem in dieser Woche ausgeschlossenen General Xu und drei weiteren aus der Partei verbannten Kadern heißt es schon, dass Xi sie nur deshalb verbannt habe, weil sie ebenfalls Zhou nahe stehen und Xi so dessen Einfluss weiter schwächen wollte. Xis hartes Durchgreifen - oder besser noch: seine Unbestechlichkeit -würde wohl erst dadurch geadelt, dass es Freund ebenso trifft wie Feind. Doch diesen Beweis zu erbringen, wird für Xi nicht einfach.

Doch aus welchen Motiven Xi den Kampf gegen die Korruption auch immer führt: Seine Botschaft wurde einstweilen im ganzen Land verstanden. Mittlerweile ist jedem Top-Politiker und jedem Top-Manager in China klar, dass es sich nicht mehr nur um einen kurzzeitigen Spuk handelt, sondern es nur eine Frage der Zeit ist, bis die nächsten Köpfe rollen werden. In Partei und Wirtschaft macht sich bereits Angst vor immer strengeren Kontrollen breit. Eine Angst, die ein Land allerdings auch lähmen kann.

Unser Kolumnist Frank Sieren gilt als einer der führenden deutschen China-Spezialisten. Er lebt seit 20 Jahren in Peking.