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Leere Worte?

21. Juni 2010

Die Weigerung Israels, Dirk Niebel nach Gaza einreisen zu lassen, hat der Entwicklungshilfeminister ungewöhnlich scharf kritisiert. Doch Deutschland müsse den Worten jetzt auch Taten Folgen lassen, findet Bettina Marx.

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Bild: DW

Dirk Niebel hat in Israel erfreulich deutliche Worte an die Adresse Jerusalems gefunden: Die israelische Regierung mache es sogar ihren Freunden schwer, ihre Taten zu verstehen und der deutschen Bevölkerung zu erklären, sagte der Minister für Entwicklung und wirtschaftliche Zusammenarbeit, nachdem Israel ihm die Einreise in den Gazastreifen untersagt hatte. Niebel wollte dort ein Entwicklungshilfeprojekt besichtigen, das mit deutschen Steuergeldern finanziert wird: Ein Klärwerk, das nicht zuletzt Israel zugute kommt, soll es doch die Abwässer aufbereiten, die sonst ungeklärt ins Mittelmeer fließen und von dort an die israelischen Strände geschwemmt werden.

Auch Bundesaußenminister Guido Westerwelle und Bundeskanzlerin Angela Merkel bedauerten die Entscheidung der israelischen Regierung, mit der sie sich erst vor wenigen Monaten zu gemeinsamen Konsultationen in Berlin getroffen hatten. Gleichzeitig begrüßte Merkel die von Israel angekündigte Lockerung der Blockade des Gazastreifens.


Doch diese Worte klingen hohl angesichts der jahrelangen Unterstützung der Bundesregierung für eben diese Blockadepolitik. Es war Bundeskanzlerin Angela Merkel, die – damals noch als Chefin einer großen Koalition - im Jahr 2006, nach dem Wahlsieg der Hamas, die Bedingungen formulierte, die die neu gewählte palästinensische Regierung erfüllen müsse, bevor man mit ihr Kontakt aufnehme. Die Hamas müsse Israel anerkennen, der Gewalt abschwören und die bisher im Friedensprozess ausgehandelten Vereinbarungen honorieren. Dass die israelische Regierung nicht bereit ist, die legitimen Rechte der Palästinenser anzuerkennen, dass sie seit Jahren ausschließlich mit Gewalt gegen den palästinensischen Aufstand vorgeht und den Oslofriedensprozess für tot erklärt hat, spielte dabei keine Rolle. Merkel gab mit diesen Forderungen die Linie für die Europäische Union vor und ermunterte Israel geradezu, die in freien Wahlen gewählte palästinensische Regierung zu delegitimieren und 1,5 Millionen Menschen im winzigen Gazastreifen zu isolieren und in existentielle Not zu treiben.

Jahrelang hat die Weltgemeinschaft und mit ihr die Bundesregierung die Blockade des Gazastreifens nicht nur zähneknirschend toleriert, sondern aktiv unterstützt. Vergebens haben Menschenrechtler, Friedensaktivisten, Ärzte und die UNO-Hilfsorganisation für die palästinensischen Flüchtlinge vor den Folgen dieser Politik für die Zivilbevölkerung im Gazastreifen gewarnt. Erst die tödliche Auseinandersetzung um das türkische Hilfsschiff Mavi Marmara hat zu einer Änderung dieser Politik geführt. Unter dem Druck der Weltöffentlichkeit hat Israel nun die Lockerung der Blockade angekündigt. Eine grundsätzliche Änderung der israelischen Politik gegenüber den Palästinensern ist das aber nicht. Israel behält sich weiterhin vor, zu bestimmen, wer in die besetzten Gebiete ein- und ausreist, wer mit den Palästinensern spricht und wer welche Entwicklungshilfeprojekte anstößt und finanziert – wer mithin also die israelische Besatzung finanziert.


Dirk Niebel hat auf die israelische Brüskierung überraschende und erfreulich deutliche Worte gefunden. Gerade Deutschland, das mit seiner großzügigen Unterstützung für die Palästinenser Israel von seiner Verpflichtung entbindet, für die Bevölkerung der besetzten Gebiete selbst aufkommen zu müssen, gerade Deutschland hat eine solche demütigende Behandlung nicht verdient. Doch den empörten Worten des Ministers müssen nun Taten folgen. Eine deutliche Distanzierung von der ultra-rechten Regierung in Jerusalem wäre ein erster Schritt. Die demonstrative Unterstützung für Friedensaktivisten und Hilfsorganisationen, die schon seit Jahren an der Einreise in den Gazastreifen gehindert werden, wäre ein zweiter.

Autorin: Bettina Marx

Redaktion: Ina Rottscheidt