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Ehemaliges Folterzentrum öffnet für Besucher

29. Oktober 2009

Wie viele Osteuropäer waren die Ungarn während des Kommunismus der Geheimpolizei ausgeliefert. Ein Museum im Zentrum von Budapest gibt nun einen grausamen Einblick, wie politische Gefangene behandelt wurden.

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Das Museum "Haus des Terrors" in Budapest von außen
Das Museum "Haus des Terrors" in BudapestBild: Barry McKay

Es wird das "Terrorhaus" genannt - und ist in dem Gebäude untergebracht, das das Hauptquartier der ungarischen Nazipartei war. Nach dem Zweiten Weltkrieg war hier die politische Polizei stationiert.

Verhaftet in der Diktatur

Bilder der politischen Häftlinge
Bilder der politischen HäftlingeBild: Barry McKay

Während des 40 Jahre andauernden Kommunismus wurden zehntausende Ungarn in dieses Gebäude zum Verhör gebracht. Sie wurden aus den verschiedensten Gründen verhaftet – weil sie als Staatsfeinde galten, wegen ihres Glaubens, weil sie Anti-Kommunisten oder Freiheitskämpfer waren. Oder aber weil sie versucht hatten, aus dem Land zu flüchten.

Dabei sei es für Unbeteiligte kaum vorstellbar, wie es gewesen ist, in einer totalitären terroristischen Diktatur zu leben, meint Dr. Maria Schmidt, Generaldirektorin des Terrorhauses. Die Menschen hätten Angst, irgendetwas zu sagen, was nicht parteikonform ist. "Ihnen wird ihr Hab und Gut weggenommen, sie müssen ihre Häuser verlassen. Sie müssen dem Staat immer gehorchen – und wer vom Staat als Bedrohung oder Feind angesehen wird, der wird verfolgt", so Schmidt.

Museum am Ort der Folter

Nachbau einer Zelle
Nachbau einer ZelleBild: Barry McKay

Besucher können in die ehemaligen Verhörräume und Gefängniszellen hineingehen. Dort laufen Videos, die Interviews mit ehemaligen Gefangenen oder alte Propagandafilme zeigen. Und es gibt Ausstellungsstücke von Widerstandsbewegungen. Der wohl grausigste Teil des Museums aber ist eine Reihe von kahlen Räumen mit Betonwänden im Keller, wo Gefangene festgehalten und gefoltert wurden.

"Sie wurden geschlagen, manche von ihnen bis sie tot waren, manche wurden einfach zusammengeschlagen, andere wurden in Zellen gebracht, die mit Wasser gefüllt waren, manche durften tagelang nicht schlafen", erklärt Schmidt.

Verlust der Realität

Sowjetischer Panzer im Museum
Erinnerungen an den Aufstand von 1956Bild: Barry McKay

Lazlo Regeczy Nagy erinnert sich an die Tage des Terrors nur zu gut. Er wurde hier in den fünfziger Jahren festgehalten. Damals war er Mitte 30 und wurde verhaftet, weil er den politischen Widerstand während der Ungarischen Revolution 1956 unterstützt hatte. In diesem Jahr fuhr er LKW für die britische Delegation der Vereinten Nationen zwischen Wien und Budapest. So war er in einer guten Position, um der Interimsregierung, die während der Revolution eingesetzt war, zu helfen, den Kontakt zum Westen aufrecht zu erhalten. Bis zu seiner Festnahme.

"Ich verbrachte sieben Monate in Einzelhaft. Und in der ganzen Zeit habe ich niemand anderen gesehen als meinen Wärter und meinen Verhöroffizier", erzählt Nagy. "Dieses komplette Abschneiden vom normalen Leben, von der ungarischen Realität, war eine effektive Methode, den Kontakt mit der Realität zu verlieren."

Folter bis zum Geständnis

Außerdem sei er permanent auf Schlafentzug gesetzt worden und habe nie durchschlafen dürfen, erzählt er. "Wir wurden nachts immer, viele Male, aufgeweckt. Während des Tages geschah so viel, dass wir nachts den Schlaf wirklich brauchten, ihn aber nie bekamen. Und dann, am Tag drangsalierten sie uns."

Das Ziel der Verhöre war es, unterschriebene Geständnisse der Gefangenen zu bekommen. Wenn erst ein Geständnis unterschrieben war, das den Zwecken entsprach, wurde der Gefangene gehängt. Leicht sei es gewesen, lebend in das Gefängnis hinein zu kommen, meint Nagy, aber umso schwerer sei es gewesen, es lebendig auch wieder zu verlassen. "Wenn du zum Tode verurteilt wurdest, dann wurdest du einfach in ein Gefängnis gebracht und dort am nächsten Morgen gehängt", beschreibt er das kurze Prozedere.

"Das ist unsere Geschichte"

Nachbau eines Büros der politischen Polizei
So sahen die Büros der politischen Polizei ausBild: Barry McKay

Das Terrorhaus hinterlässt einen tiefen Eindruck bei den Besuchern. Auch provoziere es, meint eine Besucherin, "es zeigt, Dinge, die in Europa geschehen sind, von denen man nichts wusste." Das Museum "schockiert und öffnet dir die Augen", so ein anderer Besucher. Weitere Gäste berichten von Gänsehaut am ganzen Körper, die sie erfasst habe.

Neben den schlimmen Erfahrungen, die der ehemalige Gefangene Laszlo Nagy in der Vergangenheit gemacht hat, findet er es wichtig, das Museum der heutigen Generation zu zeigen. "Die Menschen kommen hierher, weil die Geschichte nicht hinter uns liegt, sondern unter uns lebt. Das ist unsere Geschichte, auch wenn es 50 Jahre verboten war, sie zu kennen. Also ist es sehr interessant und auch aufregend das zu sehen was verboten war.

Das "Terrorhaus" ermöglicht einen gruseligen Einblick in die Realitäten des ungarischen kommunistischen Systems. Aber es gibt den Besuchern auch die Chance zu sehen, was in der Vergangenheit falsch gelaufen ist – so dass für die Zukunft andere Wege gefunden werden können.


Autor: Barry Mckay
Redaktion: Mareike Röwekamp