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Das Internet verlässt den Katzentisch

Kay-Alexander Scholz13. Februar 2014

Der Bundestag hat einen Internet-Ausschuss beschlossen. Die Netzpolitiker sind glücklich. Doch ihre Arbeit an einer "digitalen Agenda" wird nicht einfach sein.

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Symbolbild: Sitzungssaal Bundestag (Foto: M. C. Hurek)
Bild: picture alliance/Markus C. Hurek

Die Netzpolitiker im Bundestag klopften sich stolz auf die eigenen Schultern. Netzpolitik verlasse nun endlich den "Katzentisch" und sei in der "Mitte des Bundestags" angekommen, sagte Sören Bartol von der SPD im Bundestag. Sein Parteikollege Lars Klingbeil sprach von einem "bedeutenden Tag im Parlament". Der Dornröschenschlaf sei vorbei, freute sich schon im Vorfeld der Bundestagssitzung Jens Koeppen von der CDU, der dem Ausschuss vorsitzen wird. Dafür habe man schließlich auch jahrelang gekämpft, zuletzt in einer "Enquete-Kommission".

Der Grund ihrer Freude: Von nun an gibt es einen eigenen Ausschuss für die "Digitale Agenda" im Bundestag, also für alles rund ums Internet und die Digitalisierung. Er wurde am Donnerstag von allen vier Fraktionen eingesetzt. Der nunmehr 23. Bundestagsausschuss soll sich in der kommenden Woche konstituieren.

Netzpolitiker Sören Bartol, SPD (Foto: dpa)
Netzpolitiker Sören Bartol (SPD) sitzt nun nicht mehr "am Katzentisch"Bild: imago/Torsten Leukert

Nur eine "Spielwiese"?

Doch der Ausschuss hat einen parlamentarischen Schönheitsfehler. Seine 16 Mitglieder dürfen zwar zu Gesetzesentwürfen ihre Meinung kundtun, haben aber nicht das letzte Wort - denn eine sogenannte Federführung hat der Ausschuss erst einmal nicht. Wird also ein Gesetzesentwurf in die Ausschüsse überwiesen und dann beispielweise parallel im Wirtschaft-, im Justiz- und im Internetausschuss beraten, dürfen die Justiz- oder Wirtschaftsfachleute darüber entscheiden, welcher Text zurück ins Plenum geht. So können die Netzpolitiker leicht überstimmt werden. Alles nicht so schlimm, man könne sich doch "Themen auf den Tisch holen", sagte Sören Bartol. Einige Ausschussmitglieder säßen ja auch in anderen Ausschüssen und könnten so auf Umwegen für die Netzpolitik streiten, skizzierte Jens Koeppen.

Die Regierungsparteien (CDU/CSU und SPD) stellen zusammen 13 Ausschuss-Mitglieder, Grüne und Linkspartei je zwei. Und deren Vertreter zeigten sich weniger euphorisch. Wenn der Ausschuss bei netzpolitischen Themen keine Federführung habe, dann werde er zu "einer Spielwiese verkommen", warnte Halina Wawzyniak von der Linkspartei. Konstantin von Notz von den Grünen sagte, so werde der Ausschuss es wohl nicht schaffen, Netzpolitik im Bundestag zu verankern. Zudem gebe es bei Internet-Themen ein regelrechtes "Zuständigkeitspotpourri" im Kabinett und damit die Gefahr, dass Themen im Streit liegen blieben. So wie in der Vergangenheit beim Datenschutz und Urheberrecht geschehen, erinnerte von Notz.

Jens Koeppen wird Vorsitzender des Ausschusses "Digitale Agenda" (Foto: dpa)
Jens Koeppen wird Vorsitzender des Ausschusses "Digitale Agenda"Bild: imago/Jens Schicke

Mehr als nur Wirtschaftsthema

Die Vertreter der Regierungsparteien im Ausschuss wollen ihren Fokus auf wirtschaftliche Aspekte legen. Förderung von Startups, Breitbandausbau und Industrie 4.0 wurden als Schlagworte genannt. Man wolle schließlich die Chancen und nicht die Risiken betonen, sagten SPD und CDU in koalitionärer Geschlossenheit. Doch die Themen liegen teilweise seit Jahren auch in anderen Ausschüssen auf dem Tisch. Grünen-Politiker von Notz, selbst Ausschuss-Mitglied, ließ ihm Bundestag erkennen, dass er mehr erwarte und kritisierte den Namen "Digitale Agenda" als "Wirtschafts-PR-Name".

Der Ausschuss kommt zu einem Zeitpunkt, an dem die Enthüllungen von Edward Snowden die Euphorie aus dem Internet vertrieben haben. Netzaktivist Sasha Lobo schrieb jüngst über die Folgen der Totalüberwachung durch die Geheimdienste: "Das Internet ist kaputt". Auch die Wirtschaft ist besorgt. Der Präsident des Bitkom-Verbandes, Dieter Kempf, warnte beim "Safer Internet Day" davor, dass durch den Vertrauensverlust viele Online-Geschäftsmodelle in Gefahr seien. Auch mit diesen brandaktuellen Diskussionen will sich der Ausschuss befassen. Wie können wir den Schutz der Privatsphäre im Internet gewährleisten, zitierte Sören Bartol das Motto des "Safer Internet Day". Man müsse dem Internet wieder vertrauen können, sagte Lars Klingbeil. Doch Konkreteres war von den Netz-Experten im Bundestag (noch) nicht zu hören.

"Beim Thema Digitalisierung an Deutschland denken"

Immerhin nannte Nadine Schön, stellvertretende Unionsfraktionsvorsitzende für Digitales und mit 30 Jahren eine der wenigen Vertreter der sogenannten Digital Natives im Ausschuss, eine Vision. Beim Stichwort Digitalisierung und der Frage, wer deren Chancen und Potentiale am besten genutzt habe, solle man zukünftig zuerst an Deutschland denken. Nicht nur Autos und Maschinen dürften Deutschlands Exportstärke ausmachen, sondern auch die digitale Wirtschaft. Für ein Land, das bisher keinen Internet-Global-Player, scheint das Ziel allerdings gewagt.

Nadine Schön (CDU) (Foto: dpa)
Nadine Schön (CDU): Sie will auch große Fragen stellenBild: imago/Jens Schicke

Doch die junge Abgeordnete wies noch auf einen Punkt hin, der wirklich einen Unterschied zu anderen Ausschüssen machen könnte. Die Digitalisierung bringe so schnelle Innovationszyklen mit sich, dass wohl die Kunst darin bestehen werde, das Tagesgeschäft mit dem zu verbinden, worauf man möglicherweise in Zukunft reagieren müsse. Das klang zwar kompliziert, war aber der klügste Gedanke der Debatte, wenn man an Dinge wie "Connected cars" und Google-Brillen denkt.