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Keine wahre Partnerschaft

Das Interview führte Anna Kuhn-Osius7. November 2008

Der Einsatz deutscher Soldaten in Afghanistan reiche nicht, um von den USA als echter Partner behandelt zu werden, kritisiert Zbigniew Brzezinski, Ex-US-Sicherheitsberater und Berater im Stab von Barack Obama.

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Brzezinski gilt als "graue Eminenz" der amerikanischen Außenpolitik. Er war jahrelang US-Sicherheitsberater und ist jetzt einer der außerpolitischen Berater im Stab von Obama. Quelle: dpa
Brzezinski gilt als "graue Eminenz" der amerikanischen Außenpolitik. Er war jahrelang US-Sicherheitsberater und ist jetzt einer der außerpolitischen Berater im Stab von ObamaBild: picture-alliance/ dpa

DW-WORLD.DE: Was bedeutet die Wahl von Barack Obama für die Welt?

Zbigniew Brzezinski: Diese Wahl bedeutet vor allem, dass ein sehr negatives Kapitel in der amerikanischen Außenpolitik zu Ende ist. Bushs negative Politik ist Geschichte. Amerika hat sich durch diese Wahl wieder neu definiert, als eine universelle Gesellschaft des 21. Jahrhunderts, die nicht auf einer gemeinsamen Rasse basiert, sondern auf gemeinsamen demokratischen Werten. Obama vertritt diese Werte und verbindet sie mit einer erstaunlichen Internationalität: Sein Vater kam aus Kenia, seine Kindheit verbrachte er in Indonesien, er selbst gehört durch seine Hautfarbe einer Rasse an, die in Amerika über Jahrzehnte massiv diskriminiert wurde und bis heute noch wird. Seine Wahl zum Präsidenten bedeutet eine neue internationale Öffnung Amerikas. Und wir alle teilen gemeinsame Werte.

Wird Obama das Image Amerikas in der Welt verbessern?

Alle internationalen Reaktionen auf die Wahl Obamas waren äußerst positiv. Die Welt hat durch Obama das Gefühl bekommen: Amerika hat das Blatt gewendet und bewegt sich jetzt in eine neue Richtung.

Wird es denn den berühmten „Wandel“ auch in der amerikanischen Außenpolitik geben?

Es wird einen Wandel geben, in der politischen Philosophie, in den Prioritäten, die der neue Präsident setzt. Aber es wird keinen dramatischen Wechsel der amerikanischen Positionen geben. Die amerikanische Außenpolitik ist wie ein riesiges Frachtschiff auf den Weltmeeren, das seit Jahren Kurs hält. Und so schnell wie ein Motorboot wird es diesen Kurs auch nicht ändern. Es ist überhaupt nicht möglich, die amerikanischen Positionen grundlegend neu zu definieren. Aber im Kern und vor allem im Ton wird sich die Politik ändern.

Wird Obama also die amerikanische Außenpolitik vor allem klüger und diplomatischer verkaufen?

Das spielt mit Sicherheit eine wichtige Rolle. In Demokratien und bei Verhandlungen hilft es einfach enorm, wenn man klüger, intelligenter und behutsamer vorgeht. Und wenn man wie Obama vor allem inspirierend ist.

Was bedeutet der Sieg Obamas für die transatlantischen Beziehungen?

Die neue Präsidentschaft bietet die Chance für eine konstruktivere transatlantische Zusammenarbeit zwischen Amerika und Europa. Allerdings unter der Vorrausetzung, dass es überhaupt einen Partner in Europa gibt, der für alle Länder sprechen kann. Das ist das größte Problem: Europa braucht dringend eine gemeinsame Außenpolitik für den ganzen Kontinent. Und bis dahin ist es zumindest wichtig, dass Deutschland, Frankreich und Großbritannien mit einer Stimme sprechen. Nur wenn sie eine gemeinsame Außenpolitik haben, wird Amerika diese respektieren können und müssen.

Es scheinen sich ja bereits erste Konflikte zwischen Obama und Europa abzuzeichnen. Zum Beispiel Afghanistan: Obama will die Nato-Mission stärken und die Truppenpräsenz erhöhen. Europäische Länder wie Deutschland wollen dagegen keine weiteren Truppen nach Afghanistan schicken und auch nicht im Süden Afghanistans aktiv werden. Wie kann da eine Lösung aussehen?

Wenn wir als Partner gemeinsam in Afghanistan sind, darf es keine Sonderwünsche einzelner Nationen geben. Wenn sich Staaten wie Deutschland nur in Regionen Afghanistans bewegen wollen, wo es keine Probleme und keine Gefahren gibt, dann ist das keine wahre Partnerschaft.

Warum nicht?

Die Idee einer Partnerschaft ist, sowohl Entscheidungen gemeinsam zu fällen, als auch gemeinsam für die Folgen dieser Entscheidungen gerade zu stehen. Die Bush-Politik war: Er entschied allein, alle anderen sollten aber die Lasten mit ihm teilen. Das war falsch. Aber europäische Länder, besonders Deutschland, machen oft einen Denkfehler: Sie wollen wie Partner behandelt werden und bei Entscheidungen mitreden, aber die Lasten der Entscheidungen soll dann Amerika alleine tragen. Und so funktioniert eine wirkliche Partnerschaft nicht.

Obama hat in Europa Sorgen ausgelöst, als er ankündigte, die USA könnten notfalls auch unilateral in Pakistan militärisch aktiv werden – so wie Bush es zurzeit bereits tut. Was hat Obama vor?

Wir wissen, dass El-Kaida auf pakistanischem Gebiet sehr aktiv ist. Und wenn Pakistan unfähig ist, selbst zu reagieren, ist dort eine amerikanische Reaktion durchaus gerechtfertigt. Das ist reine Selbstverteidigung: El-Kaida hat schließlich die USA angegriffen, nicht die USA El-Kaida.

Der zukünftige Vize-Präsident Joe Biden hat die Vermutung geäußert, Obama könnte in den nächsten Monaten von fundamentalistischen Terroristen getestet werden, möglicherweise durch einen Anschlag. Was sagen Sie dazu?

Das ist durchaus möglich. Aber auch wenn es keinen Anschlag gibt: Obama wird durch die aktuellen Ereignisse so oder so getestet werden. Und Obama hat bereits gezeigt: Er reagiert ruhig und vernünftig im Umgang mit komplexen Themen. Wenn er getestet wird, dann wird Obama eben antworten: Vernünftig, direkt und effektiv.