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Das Jahr der historischen Bücher

Gabriela Schaaf25. Dezember 2005

Die deutsche Literatur erlebte in diesem Jahr einen Boom der historischen Bücher - und auch ein deutscher Autor steht vorne in den Bestsellerlisten.

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2005 erschienen besonders viele historische BücherBild: dpa

Der heimliche Star des deutschen Literaturjahres, so sehen es nicht nur die Literaturkritiker, heißt Daniel Kehlmann. Mit seinem Roman "Die Vermessung der Welt" steht der 30jährige seit Wochen auf den ersten Plätzen der Bestsellerlisten. Dass ein deutschsprachiger

Autor es schafft, sich zwischen Welterfolgen wie "Harry Potter" und Dan Browns "Sakrileg" zu behaupten, ist zweifellos eine kleine Sensation.

Die Vermessung der Welt von Daniel Kehlmann
Daniel Kehlmanns Sensationserfolg

Mit geplanten Übersetzungen in 13 Sprachen zeichnet sich auch international bereits der Erfolg für Kehlmanns Buch ab, in dem er den Spuren des Naturwissenschaftlers Alexander von Humboldt und des Mathematikers Carl Friedrich Gauß folgt. Eine tiefgründige und zugleich wunderbar ironische Geschichte. "Mein Ansatz war, das Buch so zu schreiben, wie es ein Historiker schreiben würde, der das alles recherchiert hätte, aber der plötzlich wahnsinnig geworden ist; der anfängt skrupellos zu erfinden, immer noch in dem ernsten Ton des Historikers", beschreibt Kehlmann sein Buch.

Gedenktage sorgten für Neuerscheinungen

Buchcover: Safranski - Schiller oder Die Erfindung des Deutschen Idealismus
Herausragende Schiller-Biografie

Historisch sozusagen begann auch das Bücherjahr 2005. Jubiläen und Gedenktage bescherten den Lesern eine Fülle von Neuerscheinungen: über das Ende des Zweiten Weltkriegs vor 60 Jahren, über das Physikgenie Albert Einstein, den Märchenerzähler Hans Christian Andersen und vor allem über den deutschen Dichter Friedrich Schiller. Zu dessen 200. Todestag haben die Verlage wahre Rekorde aufgestellt.

Einer der wenigen Titel, die dabei über den Anlass hinaus Bestand hatten, ist die herausragende Schiller-Biografie von Rüdiger Safranski. Der bekannte Philosoph hat es geschafft, den Dichter des 18. Jahrhunderts wieder frisch und aktuell erscheinen zu lassen, indem er dessen Idealismus in den Vordergrund stellte: "Kann man vielleicht der Geschichte auf die Spur kommen? Gibt es eine Logik des Fortschritts, der immer weiter sich entwickelnden Freiheit? Das will er überprüfen mit seiner unbändigen Neugier und Durchdringungskraft", sagt Safranski über Schillers Wesen.

Geschichten über die deutsche Wendezeit

Ingo Schulze
Ingo SchulzeBild: dpa

Neugier auf Vergangenes hat auch etliche Romanautoren in diesem Jahr beschäftigt. Wie hat sich der Einzelne im Strudel der Geschichte behauptet, war dabei die Frage. Der Blick ging zurück vom Nationalsozialismus über die Studentenbewegung 1968 bis hin zur jüngsten deutschen Geschichte. Dabei wurde vor allem Ingo Schulzes lange erwarteter Roman "Neue Leben" positiv aufgenommen. Der Ostdeutsche Schulze war 1995 international bekannt geworden mit seinen Geschichten über die deutsche Wendezeit "Simple Stories". In diesem Herbst hat er das Thema noch einmal in einem voluminösen Werk von knapp 800 Seiten aufgegriffen.

Renaissance des Familienromans

Die Literaturkritikerin Sigrid Löffler nennt noch einen anderen Trend dieses Jahres: die Renaissance des Familienromans. "Das ist umso erstaunlicher, da die Familie selber ja seit längerem in der Krise ist und es eigentlich nur noch Patchwork- und Rumpf-Familien gibt." Gerade deshalb aber scheine die Sehnsucht nach dem großen Familienroman, der Mehr-Generationen-Saga immer stärker zu werden, vermutet Löffler.

Es geht uns gut von Arno Geiger Hanser (August 2005) Buchcover
'Es geht uns gut' von Arno Geiger

Zu den gelungenen und erfolgreichen Beispielen gehören Eva Menasses jüdische Familiensaga "Vienna" und Arno Geigers Roman "Es geht uns gut". Für den hat der junge Österreicher den erstmals verliehenen "Deutschen Buchpreis" bekommen: Eine Auszeichnung, die vor allem international den Blick auf die deutschsprachige Buchproduktion lenken soll und die deshalb auf der Frankfurter Buchmesse verliehen wurde. Dort zeigte sich auch, dass es der Branche in diesem Jahr wirtschaftlich wieder besser ging und man optimistisch in die Zukunft blickt.