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Das Kriminalamt in der Redaktion

Andreas Burmann24. September 2005

Pressefreiheit ist ein Grundpfeiler der Demokratie. Sie trägt zu Transparenz und Meinungsbildung in der Gesellschaft bei. In Deutschland selbstverständlich - sollte man denken. Die Wirklichkeit sieht mitunter anders aus.

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Journalisten dürfen ihre Quellen schützen - im PrinzipBild: dpa zb

Am frühen Montagmorgen (12.9.2005) stürmten Beamte des Landeskriminalamtes die Redaktionsräume des politischen Magazins "Cicero" und die Wohnung des "Cicero"-Mitarbeiters Bruno Schirra. In den Redaktionsräumen beschlagnahmten sie Computer und Unterlagen, überprüften den E-Mail-Verkehr, füllen Kartons mit Aktenordnern, Tonbändern, Kassetten und Videos.

Vertrauliche Informationen

Der Grund: Dem Journalisten Schirra und der "Cicero"-Redaktion wird Beihilfe zum Geheimnisverrat vorgeworfen: Schirra hatte ein halbes Jahr zuvor in dem Magazin einen Artikel über den Topterroristen Abu Mussab al-Sarkawi veröffentlicht. Darin zitierte er aus einem geheimen Auswertungsbericht des Bundeskriminalamtes. Das Bundeskriminalamt (BKA) zeigte Schirra und das Magazin an.

Pressefreiheit wird ausgehebelt

Dieses Vorgehen sei ein zunehmend beliebtes Behörden-Mittel, um an Plauderer in den eigenen Reihen heranzukommen, kritisiert Lutz Tillmanns, Geschäftsführer des Deutschen Presserates: "Eine Anzeige ermöglicht der Staatsanwaltschaft den unmittelbaren Durchgriff gegen die Journalisten. Aber damit hebelt man das Zeugnisverweigerungsrecht aus und strapaziert die Pressefreiheit."

Informationsquellen versiegen

Dieses Recht der Journalisten auf Geheimhaltung ihrer Quellen akzeptiert der Staat nur ungern, zumal im Zusammenhang mit Straftaten. Immer öfter verschiebe sich die Grenze, so Hendrick Zörner, Sprecher des Deutschen Journalistenverbandes. "In der neuen Strafprozess-Ordnung ist der Informantenschutz für Journalisten nicht mehr ausführlich vorgesehen." Und Tillmanns vom Deutschen Presserat warnt vor den Folgen: "Wenn Redaktionen durchsucht und Gespräche abgehört werden, sind schnell sämtliche Informanten betroffen. Dann versiegen die Quellen."

Das Magazin "Cicero" hätte jedoch auch sensibler mit den Informationen umgehen müssen, findet der erfahrene Rechercheur der "Süddeutschen Zeitung", Hans Leyendecker: "Natürlich ist Aufklärungs-Journalismus weiterhin möglich, aber ohne, dass man ständig darauf hinweist, dass man geheime Papiere hat." Er selbst hat die Spendenaffäre um Altbundeskanzler Helmut Kohl aufgedeckt und die "Flick-Affäre" der 1980er Jahre. Bei ihm standen noch nie Ermittlungsbeamte vor der Tür.

"Digitaler Lauschangriff"

Er verurteilt jedoch den inzwischen ebenfalls üblichen "digitalen Lauschangriff": Im vergangenen August hatte die Staatsanwaltschaft die telefonischen Verbindungsdaten eines Journalisten der "Dresdner Morgenpost" heimlich registriert und erfuhr so, mit wem er wann und wie lange telefoniert hatte. Leyendecker: "Die Staatsanwaltschaft beschafft sich Informationen, die das Vertrauensverhältnis zwischen Informant und Presse nachhaltig stören."

Tillmanns vom Deutschen Presserat fordert daher künftig eine korrektere Auslegung der bestehenden Gesetze." Im Gesetz ist die Verhältnismäßigkeit als Kriterium festgeschrieben. Der Richter muss also immer prüfen, ob denn die Anlässe höher wiegen als die Pressefreiheit." Und solche Anlässe gebe es eben eher selten.