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Das Leben ist kein ruhiger Fluss

Patrick Tippelt28. September 2005

Thailands Mönche genieβen hohen Respekt bei der Bevölkerung, doch Modernsierung treibt sie manchmal mitten ins Leben - und in den Tod. Mönche sind eben auch nur Menschen.

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Als Wichai Khaophimai eines sonnigen Morgens zum Dorfmarkt ging, ahnte er nichts von den nächsten Stunden, die für den Mönchsnovizen in Haft enden würden. In seinem Heimatdorf galt der 19-Jährige schon immer als kleiner Hitzkopf, und als er auf dem Markt den zwei Jahre jüngeren Chamlong Ornsiri entdeckte, sah Wichai rot, denn Chamlong - ebenfalls Novize - hatte ihm ein Mädchen ausgespannt, als beide noch nicht ordiniert waren.

Wichai ging auf Chamlong los und schlug ihm ins Gesicht, kehrte rasch in seinen Tempel zurück, wo er drei Mönche und neun Novizen um sich scharte. Er muss sie gut aufgebracht haben, denn die Gruppe bewaffnete sich mit Macheten und raste zu dem Tempel, in dem Wichais ehemaliger Konkurrent gerade mit einem Freund meditierte. Die Mönchsgruppe attackierte die beiden mit schwingenden Macheten - glücklicherweise kam Chamlong mit einem tiefen Schnitt auf dem Rücken davon.

Was sich wie eine ländliche Posse liest, eine deftige Kurzgeschichte vielleicht, ereignete sich Anfang September 2005 im Nordosten Thailands. Und beweist, dass auch Mönche nur Menschen sind.

Gesundheit, Glück und Lottogewinne

In Thailand genieβen buddhistische Mönche ein hohes soziales Ansehen - nur der königlichen Familie wird noch mehr Respekt entgegengebracht. Mönche gehören zum Alltag. Frühmorgens gleiten allerorten in orangefarbenen Roben gehüllte Trüppchen bedächtig durch die Straβen. Gläubige erwarten sie an ihren Haustüren, versorgen sie mit Lebensmitteln, Räucherkerzen, Blumen und Geld. Dafür verteilen die Mönche Segen, beten kurz für Gesundheit, Glück und einen Gewinn im Lotto.

Keine Zeit für Riten

Allerdings verkürzt die Globalisierung auch in Thailand die Zeit für traditionelle Riten. In Supermärkten findet sich ein ganzer Gang mit Gaben für Mönche, Eimer prall gefüllt mit allerlei für den Alltag - Kerzen, Seife, Gebäck und Zigaretten. Rasch im Dutzend gekauft, eilt man am Wochenende zu seinem Tempel und erwartet - natürlich nur im Stillen und Geheimen - eine gewisse Gegenleistung, und sei es auch nur das Gefühl, ein halbwegs ordentlicher Buddhist zu sein. Kommerzgüter zur Beruhigung des religiösen Schuldgefühls.

Doch immer wieder erreichen Anekdoten, Skandälchen und Horrorgeschichten die Thais aus den Tempeln. Natürlich lassen sich diese nicht mit den groβen Widerwärtigkeiten vergleichen, die stets aus den Reihen der katholischen Kirche sickern. Eine Skandalwelle wie die der pädophilen Priester in den USA würde Thailands Gesellschaft schlicht umwerfen. Doch es gibt immer wieder Mönche, die das (Un-)Menschliche überkommt. Auch unter Thailands Mönchen gibt es Raffhälse, die die Furcht der Gläubigen auszunutzen wissen. Alle paar Jahre attackieren verwirrte Robenträger Menschen mit Messern. Auch Sexskandale sind nicht unbekannt, mit Frauen, mit Männern, mit Novizen.

Erstechen und erschossen

Der Buddhismus verzeiht freilich Menschen Schwächen. Nur bedeutet eine Modernisierung des Landes auch, dass Mönche selbst nicht mehr unantastbar sind. Kürzlich wurde nahe Bangkok ein Mönch während einer Predigt erschossen. Der vermutliche Täter wurde zwei Tage später gefasst, doch über die Hintergründe der kaltblütigen Tat wird noch immer spekuliert - wenn auch nur hinter vorgehaltener Hand.

Die englischsprachige Presse ignorierte die Geschichte schlicht, selbst Thailands Fernsehen drückte die Tat schnell in den Hintergrund. Der Mönch hätte Spielschulden gehabt, so munkelt man, oder er hätte jemandem eine schlechte Zukunft aus der Hand gelesen, oder er hätte zuviel über die Regierung gemault.

Der Leichnam war noch nicht verbrannt, da wendete man sich von der Geschichte ab. Dass es ein beliebter Mönch war, spielt keine Rolle. Zuviel könnte dahinterstecken, aber vor allem dreht die Welt sich weiter, die buddhistische auch, und erst recht die klerikale. Die muss sich schließlich der Jetzt-Zeit öffnen. Das ist schwer genug.