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Das letzte Wort hat Gutenberg

5. April 2002

Das Ende des herkömmlichen Buchdrucks hatten Experten schon kommen sehen. Das elektronische Buch – kurz eBook – sollte ein neues Zeitalter der Literatur via Bildschirm einläuten, eine Fehleinschätzung.

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eBooks weiterhin unbeliebtBild: AP

Alles in allem hatten die Händler dem eBook eine glänzende Zukunft prophezeit. Doch ganz so schnell wie erhofft klappt es wohl nicht mit der Revolution im Verlagsgeschäft. Zur Zeit sind in den USA, dem Mutterland des erhofften eBook-Booms, zumindest die großen Verlage eher pessimistisch.

"Vielleicht hat Herr Gutenberg ja doch das letzte Wort", seufzt Laurence Kirshbaum, der Chef des Buchvertriebs beim Medienriesen AOL-Time Warner. Das Unternehmen schloss kürzlich seine separate eBook-Abteilung und verkauft die Digitalware von nun an nur noch zusammen mit dem traditionellen Buchangebot.

Schlechte Verkaufszahlen

AOL-Time Warner meldete enttäuschende Verkaufsergebnisse und Millionen-Verluste im eBook-Markt, ohne allerdings genauere Zahlen zu nennen. Beim Konkurrenten Random House, der amerikanischen Tochter des Bertelsmann-Konzerns, gab es ebenfalls einen Rückschlag im digitalen Geschäft. Eingestellt wurde eine Reihe von Büchern, die man unter dem Titel AtRandom exklusiv in eBook-Form publizierte. Allerdings zieht sich keiner der Verlage ganz zurück. Wie AOL-Time Warner will auch Random House weiterhin elektronische Versionen von Büchern aus dem regulären Verlagsprogramm anbieten.

E-Book
Bild: AP

Die Gründe für den Misserfolg der eBooks liegen auf der Hand: Leser klagen über zu hohe Preise für spezielle eBook-Lesegeräte, die weit über 500 Mark kosten und längst nicht jede Art von eBook-Datei verstehen. Dazu kommen die ebenfalls stolzen Preise für Digitalbücher, die meist ähnlich teuer sind wie gedruckte Erstausgaben - für viele Kunden eine Enttäuschung, denn die Digitalausgabe ist immerhin eine Zweitverwertung des Werkes, ähnlich wie viele Taschenbuch-Ausgaben.

Miniverlage nutzen Nischen

In einigen Nischen aber tummeln sich Kleinstfirmen, die mit einem Sonderprogramm Profit machen. Liebesromane, Western und Science-Fiction-Erzählungen von unbekannten Autoren, deren Werke bei Großverlagen abgelehnt wurden, sind beim Miniverlag "Hard Shell Work Factory" der große Renner. Nach eigenen Angaben verkauft der Verlag aus dem Bundesstaat Wisconsin monatlich über 6000 eBooks. Dazu kommen dann Online-Unternehmen wie ElectricStory.com und Fictionwise.com, wo Digitalausgaben zu Schleuderpreisen abgegeben werden; allerdings ist dort die Auswahl sehr begrenzt.

Fictionwise.com hat immerhin einzelne Titel von renommierten Autoren wie Mark Twain oder Jack Kerouac im Angebot, und einige der Texte kosten umgerechnet nur eine Mark. Monatlich werden auf diesem Weg etwa 10.000 Billig-eBooks verkauft. Sinkende Preise senken die Hemmschwelle der Kunden, diese schlichte Geschäftsweisheit gilt auch für den Vertrieb der digitalen Ware. Besonders populär ist sie natürlich dann, wenn sie gar nichts kostet. Das weltweite Interesse an kostenlosen eBooks belastet besonders die Server der University of Virginia an der amerikanischen Ostküste; dort stehen 1600 Titel zum Herunterladen bereit. Täglich machen Tausende von Websurfern von diesem Angebot Gebrauch.