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Das mühsame Leben eines Außenpolitikers

Kay-Alexander Scholz, Berlin10. November 2015

Weil die Regierung in vielen Konflikten aktiv vermittelt, wächst bei den Deutschen das Interesse an Außenpolitik. In Berlin gab Außenminister Steinmeier Einblicke in die Schwierigkeiten des diplomatischen Alltags.

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Deutschland 5. Berliner Forum Außenpolitik: Frank-Walter Steinmeier (Foto: DPA)
Bild: picture-alliance/dpa/S. Stache

So viel Außenpolitik war nie, hieß es bei der Eröffnung des Berliner Forums Außenpolitik. Zum 5. Mal fand das vom Auswärtigen Amt und der Körber-Stiftung veranstaltete Expertenmeeting am Dienstag in Berlin statt. Dass Außenpolitik wichtiger geworden ist, denken laut einer Umfrage der Körber-Stiftung auch immer mehr Deutsche, die nicht damit ihr Geld verdienen. 18 Prozent bezeichnen sich demnach als sehr stark an Außenpolitik interessiert. 40 Prozent befürworten ein stärkeres internationales Engagement Deutschlands.

Dabei ist Außenpolitik alles andere als einfach, wie Bundesaußenminister Frank-Walter Steinmeier betonte. Konflikte hätten in der Regel zwei oder drei Wahrheiten. Als Außenpolitiker müsse man deshalb Widersprüche aushalten können, um Dinge zu ändern, mit denen man nicht einverstanden ist. Und man brauche strategische Geduld. Was das konkret bedeutet, machte Steinmeier an den drei großen außenpolitischen Herausforderungen dieser Tage klar.

Mit der Türkei reden

Wahlen hin oder her, ob einem die innenpolitische Seite gefalle oder nicht, aber man müsse in der Flüchtlingskrise - er sage allerdings lieber Migrationsbewegung dazu - mit der Türkei reden und zu Vereinbarungen kommen. Inzwischen gebe es eine zweite Wanderungswelle in der Region, deren Grund der Verlust der Hoffnung sei, nach Syrien zurückkehren und die Zustände ändern zu können. Das dürfe man nicht unterschätzen.

Wie erpressbar die Europäische Union bei der Flüchtlingsfrage im Verhältnis zur Türkei sei, hieß es sogleich in einer Frage aus dem Publikum. Steinmeiers Kollege Jean Asselborn aus Luxemburg sprang Steinmeier bei. Die Türkei nehme derzeit Millionen Flüchtlinge auf, so dass der Türkei die Menschenrechte so egal ja nicht sein könnten. Auch wenn der jüngste Fortschrittsbericht der EU zu den Beitrittsverhandlungen mit der Türkei erneut Defizite bei der Frage von Presse- und Meinungsfreiheit offenbare. Man müsse mit der Türkei reden, um vorwärts zu kommen.

Jan Hamazek, Vorsitzender des Abgeordnetenhauses in Tschechien, Bundesaußenminister Frank-Walter Steinmeier und der Europa- und Außenminister von Luxemburg, Jean Asselborn (von links nach rechts), (Foto: DPA)
Jan Hamazek, Vorsitzender des Abgeordnetenhauses in Tschechien, Bundesaußenminister Frank-Walter Steinmeier und der Europa- und Außenminister von Luxemburg, Jean Asselborn (von links nach rechts)Bild: picture-alliance/dpa/S. Stache

Nächste Syrien-Konferenz am Wochenende

Auch der innersyrische Teil der Krise führe zu einem Dilemma, so Steinmeier. Einen Waffenstillstand ohne Syriens Präsident Assad könne es nicht geben. Eine Zukunft mit Assad aber sei nicht vorstellbar.

Bereits am kommenden Samstag werde in Wien die nächste internationale Syrien-Konferenz stattfinden, kündigte Steinmeier an. Das sei kein Grund für Optimismus oder Euphorie, aber dies könne der Anfang von etwas sein. Noch gebe es keine Roadmap, aber zumindest einen Weg, der zu einer Deeskalierung führen könne. "Eine Beruhigung des Konflikts scheint mir möglich," sagte Steinmeier. Das sei angesichts des Leides der Bevölkerung viel. Diplomatisch aber seien die Treffen schon jetzt ein Erfolg. Noch vier Tage vor dem jüngsten Treffen hätte er nicht gedacht, dass der Iran und Saudi-Arabien mit am Tisch sitzen würden.

Ost-Ukraine: Schon zwölf Wochen Waffenstillstand

Als drittes Beispiel einer aktuellen außenpolitischer Herausforderung ging Steinmeier auf die Russland-Ukraine-Krise ein. Es habe einen langen Streit über das richtige Verhältnis von politischem und wirtschaftlichem Druck gegeben. Beides sei richtig, so Steinmeier. Sanktionen sollten den Gegner nicht in die Knie zwingen wollen, sondern Verhandlungsmöglichkeiten schaffen. Unzufrieden sei er mit dem Zeitplan der Umsetzung des Minsker Abkommens. Es gebe noch viel zu tun.

Aber wo stünde man heute, hätte es den Minsker Prozess nicht gegeben? Immerhin sei es doch gelungen, eine gemeinsame Richtung zu finden. Seit nun zwölf Wochen gebe es einen Waffenstillstand, der zwar ab und an durchbrochen werde. Aber das seien wohl Provokationen, die Reeskalation sei keiner Systematik geschuldet. Nun müsse der Rückzug der schweren Waffen beginnen und der Minenräumungsprozess beginnen. Vieles sei derzeit nicht möglich, weil das Gelände extrem vermint sei. Bis zum Januar, wenn die EU darüber entscheiden will, ob die Sanktionen gegen Russland verlängert werden, sei noch viel zu tun.

Außenminister Asselborn sagte, es sei noch zu früh, jetzt über die Sanktionen zu entscheiden. Aber es sei ein großer Verdienst von Steinmeier, nicht alle Kanäle zu Russland zugemacht zu haben.