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Das nächste Ziel heißt Tikrit

Peter Philipp10. April 2003

Bagdad ist gefallen, doch der Irak-Krieg ist wohl noch nicht beendet. Es ist zu erwarten, dass Saddams Heimatort Tikrit das nächste militärische Ziel ist, wo er, seine Familie und treuesten Anhänger vermutet werden.

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Einwohner Bagdads zeigen sich erfreut über die Einnahme der StadtBild: AP

Eines der erklärten Ziele des Irak-Krieges ist mit dem Fall von Bagdad erreicht: Das Regime Saddam Husseins ist ausgeschaltet und wirkungslos geworden, selbst wenn weiterhin Unklarheit über den Verbleib des Diktators und seiner engsten Mitarbeiter besteht. Der Krieg aber dauert weiter an. Und er wird wohl fortgesetzt werden, bis das gesamte Land unter der Kontrolle der US-Truppen und ihrer britischen Verbündeten steht.

Mischung aus Treue und Verblendung

Reaktionen Ägypten Saddam Hussein gestürzt
Ägypter verfolgen die Geschehnisse im Bagdad im FernsehenBild: AP

Diesem Ziel nähert man sich rasch, obwohl es in allen bereits eroberten Gegenden - auch in Bagdad selbst - immer noch zu sporadischen Kämpfen und bewaffneten Zusammenstößen kommt. Es sind dies aber eher die "letzten Zuckungen" eines einst allumfassenden Staatsapparates des Saddam-Regimes. Dessen Anhänger sind natürlich nicht alle vom Erdboden verschwunden, und einige von ihnen kämpfen aus einer Mischung von Treue und Verblendung weiter. Das Gefühl, man müsse den fremden Eroberer und Besatzer bekämpfen, dürfte im Augenblick noch keine so bedeutende Rolle spielen. Es droht aber latent das Verhältnis zwischen Irakern und Alliierten zu beeinflussen.

Neben solchen Scharmützeln kommt es aber auch weiterhin zu massiven Kämpfen: Im Nordirak sind wichtige Städte wie Mosul weiter umkämpft. Kirkuk soll nach Angaben des britischen Senders BBC von kurdischen Kämpfern weitgehend eingenommen worden sein. Die Bedeutung beider Städte liegt vor allem in den Erdölvorkommen der Region und dem Anspruch der Kurden auf diese Gegend. Eine ganz andere Bedeutung kommt dem dritten verbliebenen Kriegsschauplatz zu: Tikrit ist der Geburtsort Saddam Husseins. Saddam wuchs in einem kleinen Dorf in der Nähe der Stadt auf. Er hat diese Herkunft immer eingesetzt, indem er den Heimatort besonders bevorzugte, vor allem aber indem er die Getreusten seiner Getreuen von hier rekrutierte.

Zuflucht nach Tikrit?

Saddam Hussein vom Sockel gestürzt
Eien Statur Saddam Husseins wird am Mittwoch, 9.4., vom Sockel geholtBild: AP

Es darf deswegen angenommen werden, dass einige wichtige Figuren des Regimes - vielleicht sogar Saddam selbst und seine Familie - dort Zuflucht gefunden haben. Vielleicht in angeblich sogar atombombensicheren Bunkern, die Saddam in der Region hat errichten lassen. War es früher eine besondere Ehre aus Tikrit, Geburtsort Saddams zu sein, so könnte sich dies jetzt leicht als Fluch erweisen: Das US-Verteidigungsministerium Pentagon hat angekündigt, es werde jetzt seine neue Superbombe "Moab" einsetzen. Und es wird allgemein vermutet, dass dies nur in oder bei Tikrit geschehen könnte. Entweder gegen die dortigen Befestigungen, oder auch gegen die dort stationierte letzte von sechs Divisionen der "Republikanischen Garde".

Dieser Division der Elitetruppe des Regimes dürfte ein ähnliches Schicksal beschieden sein, wie den anderen Divisionen, auf die die US-Truppen bisher stießen: Sie wurden zerschlagen oder vertrieben. Und es gilt als sicher, dass - wer immer sich von den Gardedivisionen retten konnte - einfach nach Hause gegangen ist.

Markige Sprüche

Mit der Republikanischen Garde ist auch das Phantasiebild einer mächtigen und zu allem entschlossenen irakischen Armee zerschlagen. Die Iraker und viele Menschen in der arabischen Welt hatten an diese Armee geglaubt. Saddam Hussein hatte schon im Kuwait-Krieg mit Ankündigungen wie der "Mutter aller Schlachten" diesen Glauben durch markige Sprüche genährt. Und sein Informationsminister Mohammed el Sahhaf setzte diese markigen Sprüche bis zur Einnahme Bagdads fort. Die Enttäuschung ist bei all denen groß, die bis zuletzt Hoffnung auf diese vermeintliche Militärmacht gesetzt hatten. Und die späte Erkenntnis ist bitter, dass die jetzt demonstrierte Schwäche wohl auch Folge des unüberwindlichen Misstrauens war, das Saddam Hussein verfolgte: Er traute selbst den Republikanischen Garden nicht, und stationierte sie deswegen außerhalb von Bagdad. Wo sie ein leichtes Ziel der massiven amerikanischen Luftangriffe wurden.