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Das Reich der Schmutzfinken

27. November 2005

Chinas Wirtschaft wächst rasant - auch auf Kosten der Umwelt. Die aktuelle Katastrophe am Songhua-Fluss lenkt den Blick auf eines der größten Probleme im Reich der Mitte.

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70 Prozent der Flüsse in China sind verdrecktBild: AP

Eine alte chinesische Weisheit lautet: Wer sich gegen das Wasser stellt, der stellt sich gegen das Leben. Jetzt ist die Millionenstadt Harbin von der Wasserversorgung abgeschnitten, die Gifte, die bei einer Explosion in einer Chemiefabrik in der Provinz Jilin freigesetzt wurden, fließen mit dem Songhua-Fluss in Richtung Russland.

Doch die eigentlichen Probleme für Chinas Wasserversorgung gehen noch viel weiter. Denn die Wirtschaft in dem Riesenreich wächst vor allem auf Kosten der Umwelt. So fällt in mehr als einem Drittel des Landes saurer Regen, 70 Prozent der Flüsse im Reich der Mitte sind verdreckt, darunter auch die sieben großen wie Haihe, Gelber Fluss oder Jangtse. Von den 27 größten Seen sind 25 verseucht, mehr als 1000 Seen trockneten in den vergangenen 50 Jahren aus. Und von den zehn Städten mit der größten Luftverschmutzung weltweit liegen laut der Internationalen Energieagentur sieben in China. Laut dem nationalen Umweltbericht wird in 500 untersuchten Städten nicht einmal ein Drittel der Haushaltsabwässer geklärt. Fast die Hälfte des Haushaltsmülls wird unbehandelt entsorgt.

Dreckig und knapp

Fortschreitende Wüstenbildung in China Zwei Frauen tragen am 14.10.2003 Heu durch die Wüstendünen nahe der Stadt Minqin in Nordwesten von China.
Wüstendünen nahe der Stadt Minqin in Nordwesten von ChinaBild: dpa

So verwundert es nicht, dass nach Angaben des chinesischen Vize-Umweltministers Pan Yue ein Viertel der chinesischen Bürger keinen Zugang zu sauberem Trinkwasser hat. Und während die Städte wachsen, schreitet gleichzeitig im wahrsten Sinne des Wortes die Verwüstung des Landes voran. Auf mehr als einem Drittel der Bodenfläche - 3,6 Millionen Quadratkilometer - stellten die Behörden Erosion fest. Und so zieht Pan im Gespräch mit der "ZEIT" das ernüchternde Fazit: "Wasser ist in China nicht nur schmutzig, sondern auch knapp."

Hauptursache für die Wasserknappheit ist das ungebremste Wirtschaftswachstum. Um 9,5 Prozent wuchs die chinesische Wirtschaft im vergangenen Jahr - auch auf Kosten der Umwelt. Fabriken und Energieerzeuger arbeiten oft noch mit alten Maschinen und Ausrüstungen, sparen sich eine ordentliche Entsorgung ihrer Abfälle und pumpen ihren Schmutz einfach in Gewässer und Luft. Auch das Risiko von Unfällen wird wie selbstverständlich in Kauf genommen. In der petrochemischen Industrie ist die Versuchung besonders groß. Sie beliefert fast alle Wachstumsbranchen und hetzt der steigenden Nachfrage hinterher.

In 15 Jahren

Mit der Wirtschaft wachsen also auch die Probleme - und damit auch die Besorgnis der Menschen, die bislang vor allem mehr Geld verdienen wollten. In einigen Fällen führte dies bereits zu Unruhen. So protestierten im Sommer 2005 in der ostchinesischen Provinz Zhejiang hunderte von Landwirten gegen den Dreck eines pharmazeutischen Unternehmens, der ihrer Einschätzung nach ihre Ernte zerstört hatte.

Doch auch die Landwirtschaft selbst ist Teil des Problems, wie die Organisation für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung (OECD) kürzlich feststellte: China setze drei Mal so viel Dünger pro Hektar ein als im weltweiten Durchschnitt, hieß es in einem aktuellen OECD-Bericht. Das verursache eine hohe Zahl von Umweltproblemen.

Erst jüngst hat die Regierung in Peking das Ziel ausgegeben, den Umweltschutz bis zum Jahr 2020 dramatisch zu verbessern. Bis zum selben Jahr will sie aber auch das Bruttoinlandsprodukt vervierfachen. Wie beide Ziele miteinander zu vereinbaren sind, bleibt vorerst dahingestellt. (kk)