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Das Saddam-Dilemma

Peter Philipp29. Juni 2004

Saddam Hussein wird formal den irakischen Behörden überstellt, bleibt jedoch weiter in Gewahrsam der US-geführten Truppen. Vor einem Sondergericht soll ihm der Prozess gemacht werden. Peter Philipp kommentiert.

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Mit der offiziellen Machtübergabe – oder was man so als „Macht" bezeichnet – an die irakische Übergangsregierung hören die USA offiziell auf, Besatzer im Irak zu sein. Washington muss nun Auflagen erfüllen, die aus internationalen Konventionen, besonders der Genfer Konvention, erwachsen: Die USA dürfen zum Beispiel nicht länger Kriegsgefangene im Irak festhalten, sondern sie müssen sie freilassen oder – sollte es sich um mögliche Verbrecher handeln – sie müssen sie den irakischen Behörden überstellen.

Zweifellos an erster Stelle solcher Leute steht der frühere Staatspräsident Saddam Hussein, der sich seit seiner Festnahme im Dezember in einem US-Gefängnis im Irak befindet. Saddam soll bereits am 30. Juni dem Irak überstellt werden – und wahrscheinlich bald darauf auch ein gutes Dutzend seiner engsten Mitarbeiter. Zunächst wird dies zwar nur ein eher symbolischer Akt sein, denn solange die Regierung nicht entsprechende Gefängnisse hat, werden die USA Saddam weiter gefangen halten – gleichsam in Stellvertung für die irakische Regierung. Erst wenn geeignete Vorkehrungen getroffen sind, wird der Ex-Diktator Einzug halten in ein staatliches Gefängnis.

Alles rechtens?

Wann Saddam Hussein der Prozess gemacht wird, steht allerdings noch nicht fest. Nach bisherigen Prognosen dürfte dies noch Monate dauern. Ebenso ist offen, wie dieser Prozess ausgehen kann: Der gerade abgereiste bisherige US-Beauftragte für den Irak, Paul Bremer, hatte die Todesstrafe abgeschafft, führende Mitglieder der Übergangsregierung – unter ihnen auch Iyad Allawi – haben sich aber bereits öffentlich für die Todesstrafe ausgesprochen.

Solches Vorgehen lässt einige Zweifel aufkommen an Stil und Rechtsstaatlichkeit des geplanten Prozesses, es verdeutlicht aber auch das Dilemma der Verantwortlichen: Der Irak ist nun einmal kein Rechtsstaat. Noch nicht. Er war es nie und niemand weiß, ob und wann er es werden wird. Man darf dabei aber nicht so weit gehen wie der jordanische Chef der Saddam-Verteidigung, der die dem Diktator vorgeworfenen Verbrechen einfach dementiert und von einem „illegalen Prozess" spricht. Die Verbrechen sind belegt und es ist sicher „legal", einem Mann wie Saddam den Prozess zu machen. Aber es stellt sich eben die Frage, wie.

USA weiter in der Verantwortung

Hätten die USA Saddam vor Gericht gestellt, dann wäre dieser Prozess als Musterbeispiel von Siegerjustiz in die Geschichte eingegangen und hätte antiamerikanische Gefühle in der arabischen und islamischen Welt weiter verstärkt, obwohl man dort wenig Sympathie für Saddam Hussein aufbringt. Eine Alternative wäre ein Internationaler Prozess wie der gegen Slobodan Milosevic in Den Haag gewesen, aber dazu fehlten einmal das Tribunal und zum zweiten die internationale Bereitschaft.

Bleibt die Überstellung an die Iraker und ein Prozess vor einem irakischen Gericht. Mit all den erwähnten Schwächen, Zweifeln und Gefahren. Den Vereinigten Staaten dürfte klar sein, dass die Überstellung sie nicht von ihrer Verantwortung befreit: Verantwortung dafür, dass Recht gesprochen und nicht ein Willkürurteil gefällt oder „kurzer Prozess" gemacht wird. Selbst wenn im Laufe eines langen und korrekten Prozesses wohl einiges Unangenehme bekannt werden dürfte über die frühere enge Zusammenarbeit zwischen Saddam und Washington.