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Das "Schaufenster" Hongkong

Sebastian Ertinger12. Juni 2004

Die Bürger Hongkongs pochen auf die Einhaltung der versprochenen Autonomie und gehen dafür auf die Straße. Die Zentralregierung in Peking hält jedoch nicht viel davon. Geraten die Spannungen zur Zerreißprobe?

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Demonstrieren wird in Hongkong zum gern genutzten FreiheitsrechtBild: AP

Die Bürger der Sonderverwaltungszone Hongkong genießen - im Vergleich zu ihren Landsleuten auf dem Festland - einige Freiheiten. So konnten am 4. Juni 2004 rund 80.000 Menschen der blutigen Niederschlagung der Studentenrevolte am Pekinger Tiananmen-Platz gedenken. In den übrigen Teilen Chinas waren jegliche Kundgebungen unterbunden worden.

In den vergangenen Monaten leitete die Pekinger Führung jedoch einen härteren Kurs gegenüber der ehemaligen britischen Kolonie ein. So verkündete die Zentralregierung im April 2004, dass alle Reformen des Hongkonger Wahlrechts ihrer Zustimmung bedürften. Damit behält sich Peking ein Veto gegen die für das Jahr 2007 geplante erstmalige Direktwahl von Hongkongs Regierungschef vor. Das Parlament sollte 2008 vollständig vom Volk gewählt werden. Derzeit bestimmen die Bürger erst 24 der 60 Abgeordneten.

"Ein Land, zwei Systeme"

Einwanderung China Hong Kong
Polizeieinsatz bei einer Demonstration in HongkongBild: AP

Nachdem Großbritannien seine ostasiatische Kolonie aufgegeben hatte, wurde die Hafenstadt unter dem Motto "ein Land, zwei Systeme" in die Volksrepublik China eingegliedert. Soll heißen: Hongkong gehört zwar fortan zum kommunistischen China, darf aber seine kapitalistische, britisch-kolonial geprägte Grundordnung beibehalten. Die beiden Staaten hatten hierfür eine Art "Mini-Verfassung" ausgehandelt, worin der Status der Stadt und Richtlinien zur Demokratisierung festgeschrieben wurden.

"Gemessen an dem versprochenen Grad der Autonomie funktioniert der Leitsatz 'ein Land, zwei Systeme' nur begrenzt", meint Christian Göbel vom Ostasienwissenschaftlichen Institut der Universität Duisburg-Essen. Tatsächlich greife die Pekinger Regierung immer wieder in die inneren Angelegenheiten der Wirtschaftsmetropole ein. Beispielsweise sollte Hongkongs Regierungschef Tung Chee-hwa Ende 2002 auf Anweisung Pekings ein Gesetz gegen "subversive und aufrührerische Aktivitäten" einführen. Nach Massenprotesten musste Chee-hwa den Entwurf aber überarbeiten und abschwächen.

Pekings Dilemma

Als weltoffenes, betriebsames Zentrum des globalen Handels ist Hongkong wie ein Schaufenster, das genaue Einblicke in die Volksrepublik China gewährt. Mit dem rigideren Kurs hat Peking die ansonsten eher an Wirtschaftsfragen interessierten Bürger Hongkongs erheblich politisiert und gegen sich aufgebracht. Dies entgeht auch der Weltöffentlichkeit nicht.

Tung Chee-hwa
Hongkongs Regierungschef Tung Chee-hwaBild: AP

"Peking steckt da in einem Dilemma", erklärt Göbel im Gespräche mit DW-WORLD. Gestehe die chinesische Führung Hongkong mehr Demokratie zu, würden andere Provinzen mit Autonomiestatus, wie etwa Tibet, ebenfalls mehr Rechte und Freiheiten einfordern. Dies könnte letztlich zu Auflösungserscheinungen des chinesischen Gesamtstaates führen. "Das Ziel der Zentralregierung ist aber Stabilität", so der China-Experte.

Auf der anderen Seite stehe jedoch die beabsichtigte Wiedervereinigung mit Taiwan. "Mit einer sanften Vorgehensweise gegenüber Hongkong soll ein friedlicher Zusammenschluss für Taiwan attraktiv gemacht werden", erläutert Göbel. Die Chancen hierfür stünden aber schlecht, da viele Taiwanesen dies entschieden ablehnten. Als Modell für eine Wiedervereinigung taugt Hongkong derzeit augenscheinlich nicht.