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Das Schlüsselland zur Lösung der Afghanistan-Krise

Günter Knabe22. März 2004

Der Hauptschlüssel zur Lösung der Krise um und der Probleme in Afghanistan liegt in Pakistan. Beide Nachbarländer sind in ihrer Geschichte und Politik schicksalhaft verbunden.

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Wo ist Osama bin Laden?Bild: AP

Die Grenze zwischen Afghanistan und Pakistan wurde von den britischen Kolonialherren am Ende des 19. Jahrhunderts gezogen. Sie durchschneidet das Siedlungsgebiet der Paschtunen. Seither ist diese Trennung Konflikt-Potenzial. Auf beiden Seiten der Grenze leben etwa gleich viele Angehörige der Paschtunen-Stämme, von denen ein beachtlicher Teil als Nomaden die staatliche Grenze ohnehin nie anerkannt hat. Viele Paschtunen leben vielmehr von dieser Grenze, die ihnen beträchtliche Einkünfte durch blühenden Schmuggel garantiert.

Wege nach Afghanistan

Zugang zum zentralasiatischen Afghanistan findet man am leichtesten durch Pakistan. Das gilt für Menschen, Waren und Waffen. Und der Weg nach Zentralasien mit den dort vermuteten riesigen Vorräten an Erdgas und Erdöl geht ebenfalls durch Afghanistan. Diese geografische Position rückte Pakistan sofort in das Zentrum der Auseinandersetzungen in und um Afghanistan, die mit dem Einmarsch der Sowjets Ende 1979 ihren blutigen Anfang nahmen.

Der Weg vom Westen durch den Iran nach Afghanistan war seit der Islamischen Revolution in Teheran im Februar 1979 aus politischen Gründen blockiert. Das erhöhte die Bedeutung Pakistans für den Kampf der afghanischen Mudschahedin in ihrem Widerstand gegen die afghanischen Kommunisten und ihre sowjetischen Schutzherren.

Daraus wurde sehr schnell ein Stellvertreterkrieg zwischen Ost und West. Washington unterstützte die afghanischen Mudschahedin massiv mit Geld, Waffen und durch deren Ausbildung. Die Dollars und Maschinenpistolen, Handgranaten und Flugabwehrraketen konnten nur durch Pakistan nach Afghanistan transportiert werden. Die Trainingslager für die Widerstandskämpfer wurden in dem pakistanisch-afghanischen Grenzgebiet eingerichtet.

Pakistan, der Nutznießer

Die Amerikaner standen mit ihrer Unterstützung für den afghanischen Widerstand gegen die kommunistische Herrschaft nicht alleine. Sie hatten Bundesgenossen in den konservativ arabischen Staaten, vor allem Saudi-Arabien und den arabischen Golfstaaten. Einer der führenden Organisatoren und Finanziers unter diesen Arabern war bald Osama bin Laden. In ihm hatten die Amerikaner einen Bundesgenossen in ihrem Stellvertreterkrieg.

Die pakistanische Führung und vor allem das Militär ist in vielen Spitzenpositionen und im Offiziers-Korps besetzt von Paschtunen. Sowohl Pakistani als auch Afghanen sind in ihrer ganz großen Mehrheit Muslime sunnitischer Richtung. Sowohl diese religiösen als auch ethnischen Faktoren waren wichtige Bindeglieder zwischen beiden Ländern. Vor den Kriegswirren in ihrer Heimat floh seit 1980 etwa eine Million Afghanen in den westlichen Iran und noch viel mehr - zwischen drei und fünf Millionen - in die östlichen Nachbarländer.

Unter dem damaligen Militärherrscher General Zia ul-Haq nutzte Pakistan den Krieg in Afghanistan sowohl politisch als auch wirtschaftlich geschickt und erfolgreich. Es verstärkte die politische Bedeutung des selbst dauernd von Krisen geschüttelten Landes auf der Bühne der Weltpolitik. Und die Lieferung von Waffen und Geld für den afghanischen Widerstand durch pakistanische Kanäle bot gute Gelegenheit, einen erheblichen Teil davon in Seiten-Kanäle abzuzweigen - das heißt in pakistanische Taschen.

Die Hauptrolle bei der Durchführung der Hilfe aus Amerika und anderen westlichen Ländern und den arabischen Staaten für die Mudschahedin übernahm der pakistanische militärische Geheimdienst ISI.

Chaos am Hindukusch

Als die Sowjets sich aus Afghanistan zurückzogen, kam das Land nicht zur Ruhe. Das Chaos am Hindukusch wurde zunehmend zur Gefahr für Pakistan. Der Unruheherd Afghanistan musste in den Augen der pakistanischen Führung befriedet werden. Die bewährte Zusammenarbeit zwischen CIA und ISI wurde fortgesetzt. Gemeinsam entwickelte man den Plan, eine Miliz aufzustellen und auszubilden, die diese Aufgabe übernehmen sollte.

Das waren überwiegend junge Paschtunen, die in afghanischen Flüchtlingslagern in Koran-Schuleen unterrichtet wurden. Sie waren Taliban, das bedeutet Religions-Schüler. Zusätzliiich bekamen sie jetzt Ausbildung an den Waffen. 1996 war es dann so weit, dass man sie unter Anleitung pakistanischer Militärs und Fachleute nach Afghanistan schickte. Die Welt war überrascht, wie schnell diese Taliban große Teile Afghanistans und sehr bald auch die Hauptstadt Kabul überrannten und in ihre Gewalt bekamen.

Osamas Feindbilder

Der ehemalige Bundesgenosse der Amerikaner, der mittlerweile berüchtigte Osama bin Laden, hatte sich nach dem Abzug der Sowjets aus Afghanistan weiter dem Kampf für den Islam und gegen dessen Feinde, wie er sie sieht, gewidmet. Nicht mehr die Kommunisten waren jetzt bin Ladens Feinde. Seit der Stationierung amerikanischer Truppen in seinem Heimatland Saudi-Arabien während des Golfkriegs 1991 sah und sieht er seinen Hauptgegner in den USA. Amerika als Vormacht des nicht-islamischen Westens und Schutzmacht des ihm verhassten Israel will er mit allen Mitteln treffen, wie und wo er kann. (Beitrag vom 2.10.2001)