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Stereotypen gesucht

Elisabeth Otto20. September 2007

Deutsche sind pedantisch, ordentlich und trinken Bier - Amerikaner sind arrogant, aufgeschlossen und essen Fastfood. Vorurteile gibt es viele. Ein deutsch-amerikanisches Künstler-Duo will sich selbst ein Bild machen.

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Florian Thalhofer steht hinter seinem Motorrad und stützt sich auf der Sitzfläche ab. Quelle: Juliane Henrich
Auf der Flucht vor den alten Stereotypen: Florian ThalhoferBild: Juliane Henrich

Florian Thalhofer und Mark Simon, Künstler aus Berlin und amerikanischer Filmemacher, wollen dem typischen Deutschen beziehungsweise dem typischen Amerikaner auf die Spur kommen. Florian Thalhofer wird 40 Tage mit dem Motorrad durch das Amerika abseits der großen Metropolen reisen und in einem Video-Blog davon berichten. Parallel dazu begibt sich der amerikanische Filmemacher Mark Simon auf eine Deutschland-Odyssee und hält die Eigenheiten in Bildern und Worten fest. "1000Stories" heißt das Projekt. Dadurch, dass beide Künstler parallel reisen, hoffen sie, ihre eigenen Vorurteile austricksen zu können.

Porträt-Bild von Mark Simon. Quelle: Juliane Henrich
Mark Simon sucht typische Deutsche für seinen Teil des ProjektesBild: Juliane Henrich

Einfache Geschichten erzählen

Wie ist das Leben in Bayern, in einem Einkaufszentrum oder in der Wüste – dem ist Florian Thalhofer, zusammen mit verschiedenen Partnern, schon in anderen Projekten nachgegangen. Was dabei herauskommt, seien kleine Stücke von der Welt, die er in seinem Kopf in Vitrinen sammelt – so zumindest beschreibt er sein Denken in seinem Essay "If Then". Zwischen diesen Vitrinen müssten immer wieder neue Verbindungen geknüpft werden, um sich einem Bild der ganzen Welt zu nähern. Diese Art, das eigene Denken zu sehen, hat Thalhofer zu seiner Kunst gemacht.

"Ich glaube sehr ans Geschichten erzählen und daran, dass sich unser Bild von der Welt aus Geschichten ergibt", sagt Thalhofer. Und so erzählt er alltägliche Geschichten. Sein Geheimnis: Die Geschichten werden nicht linear erzählt. Wie das Sammeln und Verknüpfen von Weltstücken im eigenen Kopf, sammelt Thalhofer seine Geschichten, Bilder und Videos im Computer und lässt den Betrachter seinen eigenen Weg durch einen interaktiven Dokumentarfilm suchen.

Eine Software, die dem eigenen Denken entspricht

Für diese Art des Erzählens hat der Künstler seine eigene Software entwickelt: Das Korsakow System. "Korsakow ist mein Werkzeug, mit dem ich versuche, die Welt zu verstehen. Wäre ich ein Bildhauer, wären es Hammer, Meißel und Stein", beschreibt Thalhofer. Über eine Datenbank werden die einzelnen Kurzfilme, die er von seinen Expeditionen in den Alltag anderer Menschen mitbringt, immer neu in Beziehung gesetzt. Der Betrachter entscheidet selbst, welchen Teil er als nächstes sehen will. Das System macht nur Vorschläge.

Auf der Flucht vor Vorurteilen

"Amerika fand ich damals ganz schlimm", erinnert sich Thalhofer an eine Reise vor 15 Jahren durch die USA. Doch irgendwann sei ihm aufgefallen, dass das Bild in seinem Kopf so nicht stimmen könne, dass es einfach andere Seiten geben müsse. Insofern bemüht er sich heute, und auch mit dem Experiment, sein eigenes Amerika-Bild zu relativieren.

Das Problem mit Stereotypen sei, dass sie auf der einen Seite sehr praktisch seien, um Dinge beurteilen zu könne, aber andererseits auch immer nicht ganz wahr seien. Darum täte man sich auch schwer sie auszusprechen. Sich selbst bezeichnet der Berliner durchaus als typisch deutsch – ohne genau zu wissen, woran er es festmachen soll.

Ein Beispiel für etwas in der amerikanischen Kultur, dass leicht missinterpretiert werde, sei die Freundlichkeit, die mit Oberflächlichkeit verwechselt werde. "Das ist einfach eine andere Art auf jemanden zuzugehen", verdeutlicht Thalhofer seinen Standpunkt. "Mir kommt es immer so vor, als würden sich zwei Funkgeräte auf dieselbe Frequenz eichen. In Berlin funktioniert das über Schnodderigkeit, in Amerika über Freundlichkeit." Auch wenn das natürlich sehr pauschalisiert sei.

Fremdbestimmte Reiseroute

Eine begleitende Installation zu dem Video-Weblog "1000Stories" wird es im New Yorker Goethe-Institut geben. Beides soll sich langsam mit Inhalten füllen. Am Ende der Tour will Thalhofer das Material in einem Korsakow-Film zusammenfassen.

Interaktiv ist in diesem Fall auch die Reiseroute, denn sie wird von typischen Amerikanern und typischen Deutschen, oder solchen, die sich dafür halten, bestimmt. Über die Homepage des Projektes kann sich jeder, der sich für typisch deutsch oder amerikanisch hält, bewerben – oder auch den spießigen Nachbarn angeben. Die Resonanz sei bisher gemischt, berichtet Florian Thalhofer, viele Anfragen kämen aus Amerika, aus Deutschland noch wenige. "Ich glaube, dass sich die Deutschen damit etwas schwerer tun, als die Amerikaner."