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Das Sterben im Mittelmeer beenden

Bettina Marx22. April 2015

Der Tod von Hunderten von Flüchtlingen im Mittelmeer lässt niemanden kalt in der deutschen Politik. Im Bundestag debattierten die Abgeordneten darüber, wie ähnliche Katastrophen in Zukunft verhindert werden können.

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Schweigeminute im deutschen Bundestag für die Opfer der Flüchtlingskatastrophe Foto: DPA
Bild: picture-alliance/dpa/M. Gambarini

Auffanglager in Nordafrika, Militäreinsätze gegen Schleuser, Visa für Schutzsuchende oder Fähren von Afrika nach Europa – es gibt viele Ideen und Vorschläge, wie man in Zukunft Schiffskatastrophen im Mittelmeer verhindern kann. Und fast alles kam zu Sprache, als der Deutsche Bundestag einen Tag vor der eilig anberaumten Flüchtlingskonferenz der Europäischen Union in Brüssel über das Thema debattierte. Mit einer Schweigeminute (Bild oben) für die Opfer des jüngsten Unglücks stimmten sich die Abgeordneten auf die Diskussion ein. Dabei waren sich alle einig: das Sterben im Mittelmeer muss beendet werden.

Als erste Maßnahme müsse die Seenotrettung verbessert werden, erklärte Bundesinnenminister Thomas de Maizière, CDU. Er begrüßte den Vorschlag der Europäischen Union, die Mittel für das EU-Küstenschutzprogramm "Triton" auf sechs Millionen Euro pro Monat zu verdoppeln. Die Opposition dagegen forderte, das weiterreichende Programm "Mare Nostrum" wieder aufzunehmen und mit Mitteln der EU zu finanzieren.

Dieses italienische Programm, eingeführt nach der Schiffskatastrophe von Lampedusa aus dem Jahr 2013, sei aus finanziellen Gründen eingestellt worden, kritisierte die Fraktionschefin der Grünen, Katrin Göring-Eckardt. Man habe gehofft, damit den Anreiz für Flüchtlinge zu senken, sich auf den gefährlichen Weg über das Mittelmeer zu machen. "Nicht das Mittelmeer ist grausam, sondern es ist die Abschottungspolitik, die über Jahre hinweg gemacht worden ist", sagte sie und fügte hinzu: "Wenn es um Wirtschaft und Finanzen geht, spannen wir riesige Rettungsschirme auf. Wenn es um Flüchtlinge geht, scheitern wir an neun Millionen."

Den Schleppern das Handwerk legen

Die Grünen-Politikerin sprach sich dafür aus, die Schlepper und Schleuser zu bekämpfen, die Flüchtlinge auf seeuntüchtigen Booten tödlichen Gefahren aussetzten. Dieses Ziel wird auch von der Bundesregierung unterstützt. Bundesinnenminister de Maizière nannte die Schlepper "dreckige Verbrecher" und forderte, ihnen das Handwerk zu legen. "Von Libyen aus können die Schleuserbanden die Flüchtlinge sehenden Auges in den Tod schicken, sie können weithin ungehindert agieren. Deswegen müssen wir darüber reden, wie wir solche Todesboote zerstören können, wie wir die Infrastruktur schädigen können", erklärte er. Gegebenenfalls müsse man sogar vorbeugend tätig werden, damit solche Schiffe gar nicht erst zum Einsatz kämen.

Bundesinnenminister de Maizière(links) und Bundesaußenminister Steinmeier während der Debatte über Flüchtlingspolitik Foto: DPA
Innenminister de Maizière und Außenminister Steinmeier beraten über die FlüchtlingspolitikBild: picture-alliance/dpa/M. Gambarini

Der SPD-Abgeordnete Rüdiger Veit warnte davor, die Diskussion auf die Bekämpfung des Schlepperunwesens zu verengen. Es sei nicht die Vielzahl von Schleusern, die dazu führten, dass sich viele Flüchtlinge auf den Weg von Afrika nach Europa machten, sondern es gebe im Gegenteil deswegen so viele Schlepper, weil es so viele Flüchtlinge gebe. Veit forderte, die Schutzsuchenden gerechter auf die Mitgliedsstaaten der Europäischen Union zu verteilen. Diese Forderung fand breiten Widerhall im Deutschen Bundestag. Es könne nicht sein, dass nur zehn von 28 Mitgliedsstaaten der EU bereit seien, Flüchtlinge in großer Zahl aufzunehmen, betonte Innenminister de Maizière. Auch andere Staaten müssten sich dieser Verantwortung stellen.

Auffanglager in Afrika?

Ein Vorschlag, der in den Unionsfraktionen schon seit längerem diskutiert wird, ist die Idee, Auffanglager in Afrika zu schaffen, in denen Flüchtlinge um Asyl in Europa nachsuchen können. "Wir müssen Anlaufstellen auch außerhalb Europas schaffen, um eine Prüfung vornehmen zu können", empfahl der CSU-Abgeordnete und frühere Innenminister Hans-Peter Friedrich. Unterstützt wurde er von seiner Parteifreundin Andrea Lindholz. Auch sie sprach sich dafür aus, in den Transitländern in Afrika Flüchtlingslager zu errichten. Dort müsse man den Migranten auch deutlich machen, dass sie nicht alle einen Anspruch auf Schutz in Europa hätten. "Europa muss in den Transitländern vor den Gefahren der Überfahrt warnen und aufklären. Nur wenn wir die Menschen von der Überfahrt abhalten, wird auch das Sterben aufhören", so die Politikerin.

Solchen Überlegungen erteilte die Partei Die Linke eine klare Absage. Ihre innenpolitische Sprecherin, Ulla Jelpke, forderte stattdessen, Fähren nach Afrika zu schicken, um Flüchtlinge sicher nach Europa zu bringen. Hier könnten sie dann Asylanträge stellen. Darüber hinaus plädierte sie dafür, die Fluchtursachen in Afrika selbst zu bekämpfen. Dazu gehöre es, eine gerechte Wirtschafts- und Handelspolitik zu betreiben und zum Beispiel, die europäische Fangflotte vor den Küsten Afrikas, die dort die Fischbestände dezimierten, abzuziehen.

Wenig optimistisch mit Blick auf die Bekämpfung der Fluchtursachen zeigte sich Bundesaußenminister Steinmeier. Die Forderung zu erheben sei leicht. Doch überall dort, wo Staatlichkeit kollabiere, sei es schwer, etwas auszurichten. Die Stabilisierung der Krisenstaaten verlange Mühe, Zeit und Ausdauer.