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Das Tauziehen geht weiter

Leona Frommelt24. Juni 2002

Die Beutekunst-Verhandlungen zwischen Deutschland und Russland sind zäh und ziehen sich seit Jahren hin. Erfolge wurden bisher nur wenige verbucht. An diesem Wochenende (22.6.) wurde eine neue Gesprächsrunde eingeläutet.

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Julian Nida-Rümelin mit zwei zurückgegebenen GemäldenBild: AP

Julian Nida-Rümelin, Staatsminister für Kultur, ist am Samstag (22. Juni 2002) nach Russland gereist, um erneut mit seinem Amtskollegen Michail Schwydkoj Gespräche über die bilateralen Kulturbeziehungen und das Beutekunst-Problem zu führen.

Deutsche Seite hält Gesetz für völkerrechtswidrig

Bisher hat es auf beiden Seiten zwar wiederholt Gesten des guten Willens gegeben, aber ein großer Durchbruch ist noch nicht erreicht worden. Ohne gegen das Gesetz der russischen Volkskammer zu verstoßen, kann kein russischer Minister die Situation ändern. Das Gesetz erklärt die meisten von der Sowjetarmee nach Russland gebrachten Kulturgüter zum russischen Eigentum. Es sieht aber Ausnahmen für früheren Kirchenbesitz vor.

Spielräume, die es auszuschöpfen gilt

Mitte Mai 2002 hatte sich Julian Nida-Rümelin in Berlin schon einmal mit Michail Schwydkoj zu Gesprächen über die deutsch-russischen Kulturbeziehungen getroffen. Dabei sagte er Schwydkoy die Rückgabe von sieben russischen Gemälden zu. Sie wurden im Zweiten Weltkrieg vermutlich von deutschen Soldaten aus den Schlössern Gatschina, Peterhof und Zarskoe Selo bei Leningrad nach Deutschland verschleppt. Bei den Bildern aus der Zeit zwischen dem 17. und dem 19. Jahrhundert handelt sich um Porträts von Mitgliedern des Zarenhauses sowie um eine Manöverszene. Sie waren im Bestand des Deutschen Historischen Museums entdeckt worden. Jetzt hatte Nida-Rümelin die Gemälde als Gastgeschenk mit im Gepäck.

Vermisst: Brechts Koffer mit Manuskripten

Im Gegenzug geht die russische Seite derzeit Spuren nach, um in Moskau vermutete Manuskripte aus dem Nachlass des Schriftstellers Bertolt Brecht zu finden. Dessen Tochter Barbara Brecht-Schall hatte der russischen Regierung in einem Brief mitgeteilt, ihr Vater habe seiner Mitarbeiterin Margarete Steffin in Moskau einen Koffer mit Handschriften überlassen, die seither verschwunden sind. Steffin war 1941 in Moskau gestorben. Bisher verlief die Suche ohne Erfolg.

Außerdem wurden am Montag (24. Juni 2002) die mittelalterlichen Kirchenfenster aus der Marienkirche in Frankfurt (Oder) zurückgegeben. Die 111 wertvollen Fensterbilder aus dem 14. Jahrhundert wurden in der Eremitage in Sankt Petersburg für den Transport nach Deutschland verpackt. Sie geben die Schöpfungsgeschichte wieder und sollen in den kommenden zwei Jahren restauriert und wieder in den Chor der gotischen Backsteinkirche eingesetzt werden. Dies sei der erste große Erfolg einer Rückführung so genannter Beutekunst im vergangenen Jahrzehnt, betonte Nida-Rümelin. Die deutsche Seite übernimmt Kosten und Durchführung des Transportes.

Nida-Rümelins Wunschliste

Auf der Prioritätenliste für weitere Rückführungen nach Deutschland steht unter anderem das Walther-Rathenau-Archiv, Teile der Gotha-Bibliothek, der Nachlass des Politikers und SPD-Mitbegründers Ferdinand Lassalle sowie die Sammlung von Renaissancekunst aus dem Hause des Prinzen von Sachsen-Anhalt. Deutschland will als nächstes den Wiederaufbau einer zerstörten Kirche in der nordwestrussischen Stadt Nowgorod finanzieren. Zusätzlich wird St. Petersburg zum 300-jährigen Jubiläum 2003 die Restaurierung der Konzertorgel in der dortigen Philharmonie für 1,3 Millionen Euro geschenkt.

Russland bot unterdessen deutschen Medien an, Einblick in das russische Verzeichnis sämtlicher kriegsbedingt verbrachter Kulturgüter zu nehmen, aus dem auch der gegenwärtige Aufbewahrungsort hervorgeht. Es handelt sich um insgesamt etwa 250 000 Stücke, darunter sind aber auch Münz- und Briefmarkensammlungen. Die damalige Sowjetunion hat bereits in den 50er und 60er Jahren 1,6 Millionen Kulturgüter an die DDR zurückgegeben.