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Das Tor bleibt zu

Marcel Fürstenau 24. August 2002

Nach Sanierungsarbeiten soll das Brandenburger Tor in Berlin am 3. Oktober 2002 wieder für (fast) alle freigegeben werden. DW-Korrespondent Marcel Fürstenau berichtet.

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Gibt es dieser Tage in Deutschland noch ein anderes Thema als die Flut-Katastrophe an der Elbe? Anscheinend nicht. Jede Presse-Konferenz von mehr oder weniger bekannten Politikern hat damit zu tun. Und auch wenn sich die Wirtschaft zu Wort meldet, die Kultur oder der Sport – immer geht es zuerst um das verheerende Hochwasser. Alle ziehen an einem Strang, spenden Geld und packen mit an bei der Beseitigung der Schäden. Deutschland einig Vaterland – soviel Solidarität war nie seit dem Fall der Mauer im Jahre 1989.

Das ist mittlerweile 13 Jahre her, und zum Symbol dieses historischen Ereignisses wurde, wie konnte es anders sein, das Brandenburger Tor in Berlin. Unzugänglich war es über Jahrzehnte, unpassierbar, und plötzlich wieder frei – für alle: Spaziergänger, Radfahrer, Touristen-Busse und – in Deutschland das Wichtigste – für Autofahrer. Für den sogenannten Individual-Verkehr ist das Tor allerdings seit über einem Jahr geschlossen. Der Grund diesmal: dringend erforderliche Sanierungsarbeiten. Denn der monumentale Bau aus dem Jahre 1791 hat gelitten, vor allem unter den Auto-Abgasen.

Am 3. Oktober, dem Tag der Deutschen Einheit, soll die Sanierung beendet sein und das derzeit noch von der Kunststoff-Plane eines Sponsors aus der Telekommunikations-Branche verhüllte Tor wird endlich wieder freigegeben: Für Spaziergänger, für Radfahrer, für Touristen-Busse – nur nicht für den ganz normalen Autofahrer. Diese Entscheidung hat der Berliner Senat getroffen. Begründung: das Brandenburger Tor als nationales Wahrzeichen ist ein besonders prestigeträchtiger Ort der Hauptstadt, er muss hohe Aufenthaltsqualität besitzen und kann nur begrenzte Belastungen durch den Autoverkehr vertragen.

Unerträglich findet das die freie-Fahrt-für freie-Bürger-Bewegung, zu der in Berlin offenbar die Christdemokraten (CDU) und natürlich die Autofahrer-Lobby vom ADAC gehören. Sie alle fühlen sich ihrer Freiheit beraubt, selbstbestimmt mit den eigenen vier Rädern motorisiert durchs Brandenburger Tor zu fahren. Dabei war doch mit dieser Entscheidung zu rechnen. Schließlich regiert in Berlin seit Anfang dieses Jahres eine Koalition aus Sozialdemokraten (SPD) und Sozialisten (PDS). Als letztere noch SED hieß und die DDR beherrschte, ließ sie vor 41 Jahren eine Mauer bauen. Jetzt gibt es zwar keinen Betonwall mehr vor dem Brandenburger Tor, dafür aber eine unsichtbare Mauer für Autofahrer...