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Das Traumfest Abiball

Vera Kern21. Juni 2012

Festlicher und feiner: Abibälle gleichen heute aufwändigen Inszenierungen. Ein Trend, der in Deutschland wächst. Nach dem Abitur wollen die Schüler feiern wie zu Großelterns Zeiten - mit einer glanzvollen Zeremonie.

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Abiparty © Maria.P. #1620265
Bild: Fotolia/Maria.P.

Die Erleichterung ist groß. Wochenlang saß sie schwitzend über Mathebüchern, paukte Englischvokabeln und diskutierte mit ihrer Lerngruppe über Goethe. Nun ist es soweit: Das Abitur ist geschafft. Vera Mittler atmet tief durch, denn jetzt kann sie endlich Schule und Kindheit hinter sich lassen, ihren Traum von Freiheit und Selbständigkeit leben. Wie das aussehen soll, weiß sie ganz genau.

Stolz zeigt die 19-Jährige ihr Abishirt. "I wanna be ABIllionaire" prangt in goldenen Lettern auf der Rückseite – das Motto des Abiturjahrgangs 2012 des Kardinal-Frings-Gymnasiums in Bonn. "Erfolg, Macht, Geld, das sind Ziele, die wir auf unseren Lebenswegen ansteuern", erklärt die Schulabgängerin den Spruch ernst. Vorne auf dem T-Shirt grinst Dagobert Duck mit Dollarzeichen in den Augen.

"I wanna be ABIllionaire" - das Motto des Abijahrgangs 2012 am Kardinal-Frings-Gymnasium Bonn. Vera Kern @ DW. Die Bilder dürfen nur innerhalb des vorhergesehenen Artikels verwendet werden. Nur in Absprache mit der Autorin, Vera Kern.
"I wanna be ABIllionaire" - das Abi-Motto auf dem T-ShirtBild: DW

Abiball- Vorbereitung trotz Prüfungsstress

Natürlich muss das Ende der Schulzeit gebührend gefeiert werden. Damit das große Fest perfekt abläuft, kümmern sich sogenannte "Abiballkomitees" um jedes Detail. Das ist die klassische Variante der Abiturfeiern – ein Fest in Eigenregie. Dominique Ohlmann weiß, was es heißt, parallel zu den Prüfungen auch noch den Ball vorzubereiten. Die 19-Jährige hat noch eine Nachprüfung in Biologie - und ist verantwortlich für einen unvergesslichen Abend.

Seit Monaten schon plant sie. Feierlocations besichtigen, Caterings abklappern, T-Shirts bedrucken, Programmabläufe entwerfen und wieder verwerfen, Partys schmeißen und Kuchen backen für die Vorfinanzierung. Schließlich kostet so ein Fest viel Geld – rund 10.000 Euro sind veranschlagt. 27 Euro kostet daher die Eintrittskarte.

Das Abi in der Tasche: Dominique Ohlmann und Vera Mittler, Abiturientinnen am Kardinal-Frings-Gymnasium Bonn 2012. Vera Kern @ DW. Die Bilder dürfen nur innerhalb des vorhergesehenen Artikels verwendet werden. Nur in Absprache mit der Autorin, Vera Kern.
Dominique und Vera (v.l.) in ihren Abi-T-ShirtsBild: DW

Eigenregie oder Abiball-Agentur

Die Abiturienten des Kardinal-Frings-Gymnasiums in Bonn haben sich entschieden, den Abiball alleine zu organisieren. Sie wollen ihre Feier lieber selbst in die Hand nehmen. Ohne eine der vielen Agenturen, die inzwischen professionell den Abiturienten unter die Arme greifen – gegen eine Gebühr von 20.000 bis 30.000 Euro. "Selber machen ist persönlicher", findet Vera Mittler. Dominique Ohlmann sieht noch einen weiteren Vorteil: "Hinterher kann man dann sagen: gut gemacht!"

Abibälle sind heute filmreife Inszenierungen. Da werden rote Teppiche ausgerollt und Stretchlimousinen gemietet. Vorbei die Zeiten, in denen in der Schulaula ein paar Girlanden von den Neonröhren baumelten und man sich mit Sekt aus Plastikbechern zuprostete. Am Kardinal-Frings-Gymnasium haben die Abiturienten extra Walzer geübt, um beim Einzugstanz eine gute Figur auf dem Parkett zu machen. "Das hat so etwas Klassisches", sagt Dominique Ohlmann. "Wir haben uns ja auch alle schick gemacht. Und wenn man dann abrocken würde als ersten Tanz – das würde nicht passen", findet auch Vera Mittler.

Alle Rechte wurden vom unseren Kollegen Herrn Gennadij Temnenkov für die DW-Nutzung freigegeben. Bitte folgenden Titel benutzen: Abschlussball, Abiball, Abitur. 09.06.2009
Abiball: Je festlicher, um so besserBild: DW

Vom Dosenbier zum Sektkelch

Mit ihrem Wunsch, das Ende der Schulzeit zu feiern, stehen die Abiturienten aus Bonn in einer langen Tradition. "Nur die Form hat sich im Lauf der Zeit gewandelt", sagt Winfried Gebhardt, Professor für Kultursoziologie an der Universität Koblenz. Ein Blick in die deutsche Geschichte zeigt: Vor der Studentenbewegung 1968 hatten Abiturfeiern einen formellen Charakter. Danach wurden solche etablierte Feste sogar teilweise boykottiert – gefeiert haben die Abiturienten trotzdem, mit Dosenbier am Lagerfeuer statt Rektorenreden in der Schulaula.

Heute gleicht der Abiball einem Event. "Schließlich macht man nur einmal Abitur und hat nur einmal Abiball“, meint Dominique Ohlmann. Vera Mittler sieht noch einen anderen Grund: sich so richtig aufzubrezeln, einmal im Prinzessinnenkleid entlang zu schreiten, das wäre vielen Mädchen einfach wichtig. Die Kleiderfrage – auch sie gehört zu den Vorbereitungen. Jeans und Turnschuhe sind tabu, einfache Sommerkleidchen verpönt. Man trägt Abendgarderobe. Nur zur weniger formellen Afterballparty ab 0 Uhr, da darf das Outfit wieder legerer werden.

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Die passende Abendrobe - ein MussBild: picture alliance/chromorange

Abitur als Wendepunkt im Leben

"Schulabschlüsse sind wichtige biografische Wendepunkte, die Statusveränderungen markieren", erklärt Gebhardt das Bedürfnis nach einer großen Feier. Gestern noch Schüler, heute junger Erwachsener. "Jugendliche wollten sich schon immer abgrenzen von dem, was vorher war", sagt der Kultursoziologe. Heute heißt das: Das formlose Festefeiern der Post-68er-Elterngeneration ablehnen - der Abiball als Abnabelung vom Elternhaus.

Aber es gibt nach Ansicht Gebhards noch einen anderen Grund für die teuren und glanzvollen Abibälle. "Der Leistungsdruck ist gestiegen“, erklärt der Wissenschaftler. Wer einen bestimmten Bildungsstatus erreicht hat, will das auch öffentlich zeigen, mit einem perfekten Abschlussfest. Deutschland ist mit dieser Entwicklung nicht alleine: Pompöse Abschlussfeiern sind ein weltweiter Trend. Allen voran die USA mit ihren ausgelassenen Festen. In deutsche Abiballkomitees schwappt die Mode dann über Serien und Filme.

Bestens vorbereitet: Dominique Ohlmann und Vera Mittler suchen passenden Schmuck zum Abiballkleid aus. Vera Kern @ DW. Die Bilder dürfen nur innerhalb des vorhergesehenen Artikels verwendet werden. Nur in Absprache mit der Autorin, Vera Kern.
Dominique und Vera mit Mutters SchmuckschatulleBild: DW

Für Vera Mittler kann der Abiball kommen. Sie weiß, welches Kleid sie tragen wird, Schmuck leiht sie sich von ihrer Mutter. Ihre Aufgabe am Abend: einfach feiern. Auch Dominique Ohlmann freut sich. Für die Arbeitswelt wird sie bereit sein: Abiball und Abiprüfung gleichzeitig vorbereiten – eine gut gemeisterte Herausforderung.