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Das traurige Schicksal der heiligen Kühe

Priya Esselborn, Neu Delhi18. Februar 2004

Kühe werden in Indien als heilige Tiere verehrt. Und doch fristen in Neu Delhi tausende Tiere ein erbärmliches Dasein. Jetzt soll ihnen geholfen werden - mit Tierheimen für Kühe.

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Die Kuh in Indien - Nutztier und HeiligtumBild: John Hay

Sie leben von Müll und Resten aus Plastiktüten. Und sie bewegen sich im chaotischen Verkehr der 14-Millionen-Metropole Neu Delhi - immer in Gefahr, angefahren zu werden und elendig zu verenden. 36.000 Kühe leben nach Schätzungen auf den Straßen der indischen Hauptstadt.

Hilfe von privaten Kuhheimen

Nicht nur die Stadtverwaltung will die Kühe nun von der Straße holen, auch Privatleute engagieren sich für ein würdigeres Leben der Tiere. Rund ein Drittel hat bereits ein neues Zuhause gefunden: in einem der Kuhheime von Neu Delhi.

Eines dieser Heime verwaltet Nityanand Dadhich. Etwa 150 Kühe stehen hier dicht aneinander gedrängt in engen Gattern. Über Nacht können sie sich in ihre mit Stroh ausgelegten Ställe zurückziehen.

Um unabhängiger von Spenden wirtschaften zu können, hat Dadhich 20 Kühe für die Milchproduktion gekauft. Die anderen Tiere in seinem Heim wurden von den Besitzern abgegeben, weil die Kühe wegen ihres hohen Alters keine Milch mehr geben oder sie durch einen Unfall verkrüppelt, blind oder krank sind. Manche haben Geschwüre, offene Wunden oder hinken auf drei Beinen.

Jeden Morgen um fünf Uhr beginnt für Dadhich und seine vierzehn Helfer der Tag. Sie reinigen die Ställe von Kuhdung, füllen die Futtertröge mit Gemüse und Körnern. Im Sommer werden die Tiere zwei Mal am Tag mit kaltem Wasser abgespritzt, um ihnen bei fast 50 Grad im Schatten Abkühlung zu verschaffen - fast paradiesische Bedingungen für die Straßenkühe.

Die Kuh: Symbol für "Mutter Erde"

Kühe sind für die 800 Millionen Hindus in Indien ein Symbol für die Leben spendende "Mutter Erde". Viele nennen sie auch Go Mata, Mutter Kuh. Der Stier Nandi ist das Reittier des Gottes Shiva. Oft verneigen sich Hindus im Vorbeigehen voller Respekt vor den Straßenkühen. Manche berühren die oft verwahrlosten Tiere sogar und führen die Hand dabei an ihr Herz.

"Die Kuh ist tief in unserer Religion, in unserem Denken und in unseren Emotionen verwurzelt", sagt Dadhich. Das Schlachten von Kühen ist in fast ganz Indien verboten. Jeden Tag kommen Hindus zum Heim, um durch Spenden ihre Verehrung zu zeigen. Die wohltätige Geste soll nebenbei Glück bringen. Je höher die Spende, desto mehr Futter bekommen die Kühe.

Milch von illegalen Molkereien

Doch bei manchen Hindus endet die Liebe zu den heiligen Tieren am Geldbeutel. Viele der Straßenkühe in Neu Delhi sind nicht wirklich herrenlos, sondern gehören illegalen Molkereien. Ihre Besitzer melken die Tiere morgens und abends. Tagsüber müssen die Kühe selbst nach Nahrung suchen. "Die Milch dieser Kühe stinkt", sagt Dadhich. "Wie kann das auch anders sein, wenn sich die Tiere den ganzen Tag von Abfall ernähren müssen." Er verabscheue die Profitgier dieser Menschen, sagt Dadhich. Oft würden kranke oder alte Tiere an illegale Lederfabrikanten verkauft oder einfach ihrem Schicksal überlassen.

Dadhichs privates Kuhheim kann keine Tiere von der Straße aufnehmen, so lange der Besitzer nicht sein Einverständnis dazu gibt. "Doch dann", sagt Dhadich, "pflegen wir sie hier bis zu ihrem letzten Atemzug."