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"Das Universum können wir nur in seiner Gesamtheit verstehen"

16. Oktober 2009

Warum ist es gut, Geld in Weltraumforschung zu stecken und neue, riesige Teleskope zu bauen? - Über den Nutzen der Astronomie ein Gespräch mit Dr. Gabriele Schönherr, Astronomin am Astrophysikalischen Institut Potsdam

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DW-WORLD.DE: Glauben Sie, dass das geplante Europäische Extremely Large Telescope ELT Revolutionäres entdecken wird - eine zweite Erde oder gar Leben?

Gabriele Schönherr: Auf jeden Fall, denn ELT versucht, fundamentale Fragen der Astronomie, wenn nicht gar der Menschheit, zu enträtseln: Woher kommen wir? Woher kommt das Universum? Wohin gehen wir? Und sind wir allein in der Welt?

Dr. Gabriele Schönherr (Foto: DW-TV)
Dr. Gabriele Schönherr, Astronomin am Astrophysikalischen Institut Potsdam

Glauben Sie, dass wir nicht allein sind?

Warum nicht? Man hat ja schon sehr viele Planeten außerhalb unseres Sonnensystems entdeckt, die waren nur nie so richtig als zweite Erde geeignet. Mit ELT nutzt man jetzt eine ganz neue Technik, eine Nobelpreistechnik von 2005 aus der Quantenoptik: Damit können wir plötzlich ganz kleine Sternenbewegungen aufspüren, die quasi durch den Schubs eines erdähnlichen Planeten entstehen. Das wird die Anzahl an Kandidaten enorm erhöhen.

Ein Röntgenteleskop sieht andere Dinge

Warum braucht man neue Teleskope auf der Erde? Warum nehmen wir nicht z.B. das Weltraumteleskop Hubble und bauen diese Technik weiter aus? Hier auf der Erde müssen wir durch die Atmosphäre hindurchschauen, im Weltraum nicht.

Im Weltraum haben Sie ein Problem: Sie können keine schweren Dinge hochbringen, und deshalb sind Sie in der Spiegelgröße limitiert. Der Durchmesser des Hubble-Spiegels beträgt 2,5 Meter, der des ELT-Spiegels 42 Meter.

Sie erforschen Sterne mit dem Röntgenteleskop. Was sehen Sie anderes als wir, wenn wir in den Sternhimmel schauen?

Der Himmel sieht in jedem Spektrum anders aus. Das ist ein bisschen so, wie wenn der Arzt vom Patienten ein Röntgenbild machen will und der dann sagt: Nehmen Sie doch das Bild von meinem Kopf, das ich mit meiner Videokamera gemacht habe, das sieht schöner aus. - Mit einem Röntgenteleskop sehen Sie auch wirklich andere Dinge: Ich will z.B. Neutronensterne sehen, die leuchten im Röntgenbereich.

Was interessiert Sie daran?

Neutronensterne sind extreme Objekte. Sie sind sehr kompakt und haben eine gewaltige Anziehungskraft, fast so stark wie ein Schwarzes Loch. Schwarze Löcher sehen Sie gar nicht mehr, Photonen entkommen Ihnen nicht. Das Licht von Neutronensternen sehen wir gerade noch. Und mit diesem Licht können wir eine ganz extreme Physik untersuchen.

Faszinierende Neutronensterne

Was bringt es uns, zu wissen, was in einem Neutronenstern geschieht?

Das Universum können wir nur in seiner Gesamtheit verstehen. Wir müssen verstehen, wie die Sterne entstehen, wie sie sich entwickeln und wie sie vergehen. Es mag uns vielleicht nicht jeden Tag interessieren, was Neutronenstern A oder B macht. Aber wenn Sie zu den tieferen Fragen vorstoßen wollen, dann brauchen Sie ein gesamtheitliches Verständnis.

Wenn wir die Astronomie weltweit vergleichen - wie steht Europa da?

Europa steht sehr gut da. Mit dem Very Large Telescope betreibt die Europäische Südsternwarte ESO das zur Zeit leistungsfähigste Teleskop der Welt. Und wenn das ELT kommt, dann haben wir auch den größten Spiegel, mit 42 Metern Durchmesser. Die Amerikaner planen gerade mal ein 30-Meter-Teleskop.

Interview: Daniela Levy

Redaktion: Klaus Dartmann

Das Interview als Video sehen Sie in der aktuellen Ausgabe von Projekt Zukunft, dem Wissenschaftmagazin auf DW-TV.

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