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"Das Urteil ist ein Verbrechen"

Vadim Chataline9. Juni 2005

Im weltweit kritisierten Prozess gegen den Öl-Magnaten Chodorkowski wurde auch sein Geschäftspartner Platon Lebedjew zu neun Jahren Haft verurteilt. DW-WORLD führte ein Interview mit dem Inhaftierten.

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Angeklagt und verurteilt: Chodorkowski (l.) und LebedjewBild: AP

DW-WORLD: Herr Lebedjew, wie betrachten Sie die Situation im Gerichtssaal und das Urteil, das das Gericht gefällt hat?

In meiner Stellungnahme gleich nach meiner Verurteilung äußerte ich mich bereits dazu. Ich finde, dass das Gerichtsverfahren und das Urteil ein Verbrechen sind und die Richter jede Ehre verloren haben.

Meinen Sie mit "Verbrechen" das Urteil selbst oder seine Argumentation?

Ich habe schon vieles über die Argumentation gesagt. Meine Position und meine Meinung haben sich nicht geändert. Am 16. April 2004 äußerte ich mich zu den Anklagepunkten bereits zu Beginn des Verfahrens. Mehrmals wies ich auf die Verbrechen der verantwortlichen Beamten hin, die die Anklage gegen mich gefälscht haben. Alle Texte finden Sie unter www.mfomenatep.ru. Meiner Meinung nach kann man die Schlussfolgerungen des Gerichts auf gar keinen Fall Argumentation nennen, da sie dermaßen verlogen und obskur sind, so dass ich mehrmals während des Prozesses lachen musste. Mir schien es, ich war nicht der Einzige, der lachte. Nur eine Sache: Was soll ich kommentieren, wenn die Richter selber über die Begründungen der Staatsanwaltschaft lachen.

Ein gutes Beispiel für die "Argumente" der Staatsmacht: Nach meiner Festnahme äußerte sich Wladimir Putin in Amerika in Anlehnung an die Worte des Generalstaatsanwalts Ustinow, dass ich vor Kraft und Gesundheit strotze. Die Ärzte im Lefortowo-Gefängnis bescheinigten mir einstimmig, keine gesundheitlichen Probleme zu haben. Und dabei wurde ich in einem Krankenhaus festgenommen und schließlich musste sogar das Gericht in seinem Urteil auf meine chronische Hepatitis hinweisen.

Was halten Sie vom Strafmaß?

Das Strafmaß meines Urteils betrachte ich als Grad meiner Gefährlichkeit und Bedrohung für die Interessen der beschränkten und korrumpierten Staatsbeamten.

Was denken Sie über die Einstellung und das Verhalten der Richter?

Die Einstellung und das Verhalten der Richter sind beschämend aus meiner Sicht. Sie haben kein Recht, sich Richter zu nennen. Und die im Gericht übliche Ansprache "Eurer Ehren" finde ich ebenfalls fehl am Platz.

Warum wurde Ihrer Meinung nach der Prozess gegen YUKOS initiiert?

Aus Neid und Angst.

Was können Sie zu den Bedingungen der Untersuchungshaft sagen? Wie behandeln Sie die Aufseher, die Ermittler und andere Beamten? Dürfen Sie Ihre Verwandten sehen?

Das will ich nicht kommentieren. Das wird alles Thema beim Europäischen Gerichtshof für Menschenrechte sein.

Wie verbringen Sie Ihre Tage in der Haft?

Ich verteidige mich und helfe anderen, sich zu verteidigen, versuche einfach zu leben.

Wünschen Sie sich manchmal lieber woanders zu sein, weit weg von Russland?

Niemals. Die verbrecherische Staatsmacht ist das eine, das Land ist etwas anderes.

Wie schätzen Sie die heutige politische Situation in Russland ein?

Sie ist unvorhersehbar und explosiv.

Was denken Sie, gibt es noch etwas Hoffnung auf ein gutes Ende Ihres Gerichtsprozesses und des Verfahrens gegen Michail Chodorkowski?

Von meiner Seite mache ich alles Mögliche und werde auch weiterhin versuchen, alles Mögliche zu tun, um doch noch zu einem günstigen Abschluss des Verfahrens zu gelangen, nicht nur für mich und Michail, sondern auch für mein Land.

Das Interview ist unter der Vermittlung der Rechtsanwälte entstanden.