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"Das zeigt Obamas große Entschlossenheit"

2. Juli 2009

Mit einem Großeinsatz haben US-Streitkräfte eine Taliban-Hochburg in Afghanistan ins Visier genommen. Hans-Ulrich Klose sagt, dies zeige die große Entschlossenheit von US-Präsident Obama im Kampf gegen die Taliban.

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Porträt Klose (Archivfoto: ap)
Hans-Ulrich Klose ist stellvertretender Vorsitzender des Auswärtigen Ausschusses des BundestagesBild: AP

DW-WORLD: Herr Klose, nach eigenen Angaben hat das US-Militär eine Großoffensive gestartet gegen eine Hochburg der Taliban-Kämpfer in Afghanistan. 4000 Soldaten der USA sollen im Einsatz sein, 650 afghanische Soldaten, 50 Flugzeuge. Und das sei erst der Anfang, heißt es. Hat der Afghanistan-Einsatz heute eine neue Qualität erhalten?

Hans-Ulrich Klose: Das kann ich so genau gar nicht beurteilen, weil ich keine Informationen habe, die über das hinausgehen, was Sie in Ihrer Frage gerade angedeutet haben. Es sieht aber so aus, als sei es ein Einsatz mit erheblichen Kräften und auch erheblichen schweren Waffen.

Was lässt sich daraus folgern?

Das ist das Gegenteil von dem, was wir erwartet hatten. Sie wissen ja: Es gab die Diskussion in Amerika, aber auch bei der internationalen Staatengemeinschaft, wie man es erreichen könnte, die Taliban zu bekämpfen, zugleich aber auch so genannte Kollateralschäden zu vermeiden. Dabei spielte die Frage der Luftwaffe und der schweren Waffen - Artillerie zum Beispiel - eine große Rolle. Da ich nicht genau weiß, was dort im Augenblick vorgeht, bin ich etwas zurückhaltend in meinem abschließenden Urteil. Aber es scheint tatsächlich so zu sein, als sei das nicht das, was sie erwartet hatten.

Für US-Präsident Barack Obama ist es der erste Krieg, den er auf Seiten der USA voll zu verantworten hat. Trauen Sie Obama in Afghanistan größere Entschlossenheit zu als seinem Vorgänger Georg W. Bush?

Bei Bush gibt es ja die international vertretene Auffassung, dass sein Fehler darin bestand, dass er den Afghanistan-Krieg begonnen und am Anfang mit Nachdruck geführt hat, dann aber einen zweiten Krieg im Irak führte und dadurch dazu beigetragen hat, dass Afghanistan nicht stabilisiert wurde.

Und Obama?

US-Marinesoldaten bei der Großoffensive gegen Taliban in Afghanistan (Foto: ap)
US-Präsident Obamas Afghanistan-Strategie sieht eine erhebliche Truppen-Verstärkung vorBild: AP

Bei Obama muss man wissen, dass er den Krieg gegen Al Qaida und die Taliban immer als den "richtigen Krieg" bezeichnet hat. Und in sofern gehe ich davon aus: Ja, er wird versuchen, ihn mit Entschlossenheit zu führen.

Der für Afghanistan verantwortliche US-General Nicholson hat gesagt, man wolle diesmal in Taliban-Gebiete eindringen und diese auch - anders als bisher - auf jeden Fall halten. Warum sollte diesmal gelingen, was bisher so oft misslungen ist?

Ich weiß es nicht, ob es gelingen wird. Aber es ist ja unübersehbar, dass Amerika die Zahl der Soldaten die vor allen Dingen im Süden operieren, deutlich erhöht hat und noch dabei ist diese zu erhöhen - um insgesamt 17.000 Mann, soweit ich dass gehört habe. Daraus kann man erkennen: Es gibt eine größere Entschlossenheit, die Lage in Afghanistan zu stabilisieren.

Diese Entschlossenheit zeigt sich auch im Grenzland zu Pakistan, oder?

Ja, das ist das eigentlich Neue, was wir gegenwärtig erleben: Dass sich in den so genannten "tribal areas" in Pakistan, die weitgehend außerhalb der Kontrolle von Islamabad waren, große Aktivitäten abspielen. Einerseits weil die pakistanische Armee dort gegen Taliban vorgeht, insbesondere im Bereich des so genannten Swat-Tals. Und auch weil die Amerikaner offenbar mit Zustimmung der pakistanischen Regierung immer mehr Drohneneinsätze in dem Gebiet durchführen.

Ihr Parteifreund Peter Struck, der sich als früherer Verteidigungsminister auch schon mit Afghanistan beschäftigt hat, hat erst diese Woche erklärt, der Einsatz könne noch zehn Jahre dauern. Wie ist Ihre Meinung dazu?

Da lege ich mich nicht fest. Wenn ich überhaupt etwas dazu sage, dann dies: Es wird sicherlich noch fünf Jahre dauern, bis Afghanistan soweit stabilisiert ist, dass die Menschen bessere Lebensverhältnisse kennen lernen. Und darum geht es ja im Wesentlichen: Stabilität, ein gewisses Maß an Rechtssicherheit und eine hoffentlich spürbare Verbesserung der Lebensverhältnisse. Ich sage immer, es wird im günstigsten Fall drei bis fünf Jahre dauern und im ungünstigen Falle bis zu fünfzehn Jahre.

Bundesverteidigungsminister Franz-Josef Jung sagt, bei dem Einsatz handele es sich nicht um einen Krieg. Wie bezeichnen Sie das, was dort in Afghanistan passiert, wo Menschen andere Menschen umbringen?

Völkerrechtlich hat der Verteidigungsminister Recht, weil das Völkerrecht kriegerische Aktionen von Land zu Land über Grenzen voraussetzt. Im konkreten Fall handelt es sich, wie die Wissenschaft heute sagt, um einen so genannten asymmetrischen Krieg: Also ein Staat und eine von diesem Staat gestellte Armee gegen eine bewaffnete aufständische Nichtregierungsorganisation. Diesen Unterschied muss man machen, weil aus der Bezeichnung Krieg im völkerrechtlichen Sinne bestimmte rechtliche Konsequenzen abzuleiten sind.

Soldaten sind keine Völkerrechtler. Haben Sie Verständnis, wenn Soldaten das anders sehen?

Dass die Soldaten das, was sie dort machen, als Krieg empfinden, das kann ich gut verstehen. Jedenfalls ist es Kampf. Und es wäre schon sinnvoll, wenn die Bundesregierung gleich von Anfang an darauf hingewiesen hätte, dass das UN-Mandat "Enduring Freedom" ein Kampfmandat gewesen ist. Aber das ist in Deutschland so nie oder selten ausgesprochen worden.

Autor: Martin Schrader (Mitarbeit: Tereza Burianova)
Redaktion: Hans Ziegler

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