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Das zweite Ja der Zyperntürken

Baha Güngör18. April 2005

Die Wahl Talats zum neuen "Präsidenten" setzt die EU und Inselgriechen unter Druck - der neue Präsident will die Teilung Zyperns überwinden und strebt eine gemeinsame EU-Mitgliedschaft an. Baha Güngör kommentiert.

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Mit dem Abschied von Rauf Denktasch und der Wahl des an Europa orientierten Regierungschefs Mehmet Ali Talat zum neuen Präsidenten hat die international nur von Ankara anerkannte "Türkische Republik Nordzypern" eine neue Ära eingeläutet. Mit eindeutiger Mehrheit jenseits der notwendigen 50-Prozent-Marke haben die Zyperntürken innerhalb eines Jahres zum zweiten Mal "Ja" zu Europa und damit "Ja" zur Wiedervereinigung der Mittelmeerinsel gesagt.

Denktasch, der seit 1976 eifersüchtig über sein Werk als "Präsident" eines politisch, wirtschaftlich und militärisch total vom türkischen Mutterland abhängigen Landesteils gewacht hatte, hat im Alter von 81 Jahren nicht nur aus Altersgründen auf eine erneute Kandidatur verzichtet. Er musste auch erkennen: Sein Ziel, seiner Republik zur Anerkennung als selbstständiger Staat zu verhelfen, war ohne Chance.

Die Wahl Talats zum neuen Präsidenten Nordzypern setzt allerdings die EU und auch die zyperngriechische Seite unter Druck. Die Europäische Union ist die Einlösung ihrer Versprechen schuldig geblieben, die sie den Zyperntürken für ihr erstes "Ja" beim Referendum vor einem Jahr zum Vereinigungs- und Friedensplan von UN-Generalsekretär Kofi Annan gemacht hatte. Weder ist finanzielle Unterstützung nach Nordzypern geflossen noch wurde die politische und wirtschaftliche Isolierung der türkischen Zyprer gelockert.

Ohne nennenswerte negative Konsequenzen für sich selbst hatten die Zyperngriechen "Nein" zum Annan-Plan gesagt, die Türken aber hatten sich relativ deutlich für eine Vereinigung der Insel und damit für eine Beendigung der Besetzung des Nordteils durch die Türkei ausgesprochen. Weil aber die EU den Inselgriechen unabhängig vom Ausgang des Referendums ohnehin den dann am 1. Mai vollzogenen EU-Beitritt ermöglicht hatte, fühlte sich die griechische Seite offenbar auch nicht dazu verpflichtet, ihre boomende Wirtschaft und ihren Wohlstand für den Aufbau des vergleichsweise stark unterentwickelten Nordteils zur EU-Reife ins Spiel zu bringen.

Die Entscheidung der Zyperntürken für Talat symbolisiert ihren Willen, die Vergangenheit zu verarbeiten und in die Zukunft zu blicken. Sie wollen sich von der Türkei loslösen und zu einer aufrechten Gangart als demokratisch gesinnte Europäer finden. Deshalb ist jetzt nicht nur die EU am Zug, sondern auch der zyperngriechische Präsident Tassos Papadopoulos.

Man darf nicht vergessen: Der Zypern-Konflikt ist älter als 31 Jahre. Die Türkei war 1974 unter Berufung auf ihren Status als Garantiemacht für die Unabhängigkeit der Insel-Republik einmarschiert, um einen Anschluss Zyperns an das damals von der Militärjunta beherrschte Griechenland zu verhindern. Der von den Obristen gesteuerte Putsch hatte genau dieses Ziel, nachdem es zuvor zu größeren Ausschreitungen gegen die Inseltürken gekommen war.

Für ihren Fehler, sich auf Dauer auf Nordzypern festzukrallen und heute noch 30.000 Soldaten dort zu stationieren, hat die Türkei politisch, wirtschaftlich und militärisch viel bezahlt. Der Zypern-Konflikt ist einer der Hemmschuhe auf dem Weg der Türkei in Richtung Europa. Deshalb wird Ankara eine Lösung unterstützen und befürworten, wenn die EU und Griechenland die Zyperngriechen zu mehr Flexibilität bei Verhandlungen unter Federführung der Vereinten Nationen bewegen können. Die türkische Seite ist dazu bereit und braucht deshalb keine Vorwürfe von Unbeweglichkeit und Beharren auf Maximalpositionen mehr zu fürchten - zumal der geistig und politisch unbewegliche Denktasch seit Sonntag (17.4.2005) Vergangenheit ist.