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Politik

Skandal auf den letzten Metern?

6. Mai 2017

Vor der Stichwahl um das Präsidentenamt in Frankreich tauchen gestohlene Dokumente der Macron-Kampagne auf. Die Spekulationen treiben Blüten und die französischen Medien schweigen. Bernd Riegert berichtet.

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Symbolbild Cyber Security
Bild: picture-alliance/dpa/A. Marchi

Hacker stellen interne Dokumente Macrons online

Die französischen Nachrichtensender berichten zu den "Macron-Leaks" seit Mitternacht nicht mehr. Das Wahlgesetz verbietet es Medien und Kandidaten am Tag vor der Präsidentenwahl und am Wahltag selbst Informationen zu verbreiten, die die Wahl beeinflussen könnten. Für die Zeitungen kam die Nachricht, dass die E-Mail-Konten der Wahlkampagne des liberalen Kandidaten Emmanuel Macron gehackt wurden, gestern Abend zu spät. Nur im Internet finden sich Berichte, die von ausländischen Medien gepostet werden. In den sozialen Netzwerken wird der Angriff auf die Daten des Macron-Lagers durchaus diskutiert. Dabei geht es auch um die Frage, warum die Enthüllungs-Plattform "Wikileaks", der Nähe zur russischen Regierung vorgehalten wird, die ungeprüften Daten ins Netz stellt. "Wikileaks" teilte allerdings auf Twitter mit, es sei nicht die Quelle der Veröffentlichung. Die gestohlenen E-Mails waren zuvor auch schon auf der Seite "Pastebin" aufgetaucht. Auch auf der Seite "4chan", die von rechtsgerichteten amerikanischen Aktivisten genutzt wird, waren Links zu "Pastebin" zu finden.

Diskussionen auf "Twitter"

Das Schlagwort #MacronLeaks wurde angeblich von einer rechtsgerichteten Webseite in den USA lanciert, die den populistischen Präsidenten Donald Trump unterstützt. Trump hatte sich vor der ersten Runde der Präsidentenwahl wohlwollend über die rechtspopulistische Kandidatin Marine Le Pen geäußert. Unter dem Schlagwort #MacronGate werden vor allem die Medien kritisiert, die angeblich die Verfehlungen des Kandidaten Emmanuel Macron verschweigen. Der ebenfalls erhobene Vorwurf, Twitter zensiere diese Schlagwort-Suche, ist allerdings falsch. #MacronGate war am Morgen frei aufrufbar.

Das französische Innenministerium wollte sich mit Hinweis auf die Schweigeperiode vor der Wahl nicht äußern. Die Wahlkommission in Paris will die Vorgänge beraten und warnte Medien, mit Veröffentlichungen über und aus den gestohlenen Dokumenten sehr vorsichtig zu sein. Der enge Mitarbeiter der rechtspopulistischen Kandidatin Le Pen, Florian Philippot, twitterte die Frage: "Werden uns die Macron-Leaks etwas lehren, das die investigative Presse vorsätzlich unterdrückt hat?" Der Sprecher von Emmanuel Macron, Sylvain Fort, antwortete auf Twitter mit einem Wort: "Niederträchtig."

Bildkombo Wahlkampfplakate Frankreich
Kandiaten Macron, Le Pen: Angriffe auf die Demokratie?

"Attacke auf die Demokratie"

Nach den Angaben in einer schriftlichen Erklärung der Macron-Wahlkampagne vom späten Samstagabend hat der Hacker-Angriff bereits vor einigen Wochen, also vor der ersten Runde der Präsidentenwahl am 23. April stattgefunden. In den letzten Tagen waren in den sozialen Netzwerken einzelne Dokumente aus diesem Datenraub aufgetaucht. Als am Samstag dann die gesamten Daten mit Tausenden Dokumenten und einem Umfang von neun Gigabyte komplett auf Webseiten auftauchten, sah sich Macron gezwungen, den Angriff offiziell zu bestätigen und als "schwere Attacke auf die Demokratie" zu brandmarken. Außerdem seien authentische E-Mails mit gefälschten Dokumenten gemischt worden, so die Erklärung, um falsche Tatsachen zu verbreiten. Welche Dokumente echt oder falsch sind, konnte in der Kürze der Zeit nicht festgestellt werden, heißt es auch in einer Stellungnahme der Internet-Plattform "Wikileaks". Nach den Angaben der Macron-Bewegung "En Marche" handelt es sich um Routine-Mitteilungen, Rechnungen für Veranstaltungen, aber auch sehr private Dialoge zwischen Mitarbeitern und Außenstehenden.

Waren es russische Hacker?

Macrons Wahlkampfmanager geben keine konkreten Hinweise auf mögliche Täter. Im Laufe des Wahlkampfs hatte Macron russische Hacker für fehlgeschlagene Attacken in den letzten Monaten verantwortlich gemacht. Der Kreml hatte dieses Darstellung zurückgewiesen. Die japanische Internetsicherheitsfirma "Trend Micro" hatte mitgeteilt, die Hacker-Angriffe sei mutmaßlich von russischen Daten-Räubern ausgeführt worden. Die Methode ähnele sehr der, die auch bei den Angriffen auf die Server der "Demokraten" von US-Präsidentschaftskandidaten Hillary Clinton im amerikanischen Wahlkampf angewendet worden sei. Die russische Hacker-Gruppe "Fancy Bear", auch  "APT28", soll enge Verbindungen zum russischen Militärgeheimdienst haben. Vitali Kremez, der die New Yorker Firma für Datensicherheit "flashpoint" leitet, sagte der Nachrichtenagentur Reuters, seiner Meinung nach stecke die Hackergruppe APT28 hinter der jüngsten Attacke. APT28 arbeite mit gefälschten Internetseiten, die denen von Emmanuel Macron ähneln.

Le Pen wegen Verleumdung angezeigt

Die rechtspopulistische Präsidentschaftskandidatin Marine Le Pen hatte im Fernsehduell mit dem liberalen Emmanuel Macron am Mittwoch gesagt, sie hoffe nicht "dass noch herauskommt, dass Sie ein Offshore-Konto haben." Le Pen bezog sich mit ihrer Behauptung auf Vorwürfe, die in den sozialen Medien verbreitet wurden. Macron sollte demnach Steuern hinterzogen haben und Vermögen in Steuer-Oasen parken. Emmanuel Macron, der früher beim Bankhaus Rothschild gearbeitet hat, wurde von Le Pen im Wahlkampf als Kandidat der Banken und Konzerne angegriffen. Macron sagte in der Fernsehsendung, Le Pen verbreite Lügen. Er stellte Strafanzeige wegen Verleumdung. Die Staatsanwaltschaft in Paris hat Vorermittlungen aufgenommen. Marine Le Pen pflegt ein gutes Verhältnis zum russischen Präsidenten Wladimir Putin. Zuletzt wurde sie im März von ihm empfangen. Ihre Partei "Front National" erhielt mindestens einen Millionen-Kredit vom Kreml. In der Fernsehdebatte mit Macron sprach sich Le Pen für eine Annäherung Frankreichs an Russland aus. Zuvor hatte sie sich für die Anerkennung der völkerrechtswidrigen Annexion der ukrainischen Krim-Halbinsel ausgesprochen. Außerdem will sie die EU-Sanktionen gegen Russland wegen dessen Rolle im Bürgerkrieg in der Ost-Ukraine sofort beenden.

FBI: Russen hacken überall

Der Chef der US-Bundespolizei FBI, James Comey, hatte am Donnerstag vor dem US-Kongress ausgesagt, die russische Regierung stecke hinter den Hackerangriffen auf die demokratische Partei in den USA. Die Aktivitäten würden nicht nur in den USA, sondern auch in vielen anderen Staaten auf der Welt ausgeführt, um demokratische Wahlen zu beeinflussen, so Comey. Im US-Wahlkampf hatten die geleakten E-Mails des Clinton-Lagers eine große Rolle gespielt. Der Republikaner Donald Trump hatte sie in seinem Wahlkampf ausgeschlachtet und russische Hacker und "Wikileaks" ermutigt, noch mehr Daten Clintons zu veröffentlichen. Hillary Clinton hatte kürzlich in einem Interview gesagt, die E-Mail-Affäre habe sie den Wahlsieg gekostet.

Ob und wie sich die "Macron-Leaks" auf den Wahlausgang in Frankreich auswirken werden, ist mit Sicherheit am Vorabend der Wahl nicht zu sagen. Die Wahlkampforganisation von Emmanuel Macron erklärte, die Veröffentlichungen zielten klar darauf ab, die Wahl zu beeinflussen. Allerdings führt Emmanuel Macron in den Umfragen, die bis zum Freitag veröffentlicht werden durften, mit bis zu 62 Prozent gegenüber Le Pen mit 38 Prozent.

 

Porträt eines Mannes mit blauem Sakko und roter Krawatte
Bernd Riegert Korrespondent in Brüssel mit Blick auf Menschen, Geschichten und Politik in der Europäischen Union