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Europäischer Datenfluss

Ruth Reichstein2. Oktober 2008

Grenzkontrollen zwischen den Staaten der europäischen Union gibt es nicht mehr. Das regelt das Schengener Abkommen. Dafür gibt es jetzt eine grenzüberschreitende Fahndungs-Datenbank - das Schengener Informationssystem.

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'Schengen' hört mitBild: picture-alliance/dpa

Die Zentrale des Schengener Informationssystems, kurz SIS, ist in einem ungemütlichen Gebäude in einem Straßburger Vorort untergebracht. Der crème farbene Bunker ist doppelt und dreifach gesichert: Er unterliegt der Sicherheitsstufe 1 - genauso wie etwa das französische Verteidigungsministerium in Paris. Denn hier, inmitten eines Wohnviertels, werden Millionen von sensiblen Daten gespeichert - aus ganz Europa.

Über 16 Millionen Daten liegen in den Datenbanken

Das System verwaltet über 16 Millionen Daten. Darunter zum Beispiel Angaben zu gesuchten Personen und gestohlenen Fahrzeugen. Die Informationen stammen von den einzelnen Polizeistellen aus den europäischen Mitgliedsstaaten.

Polizei in Oberbayern
Polizisten im Polizeipräsidium Ingolstadt bei der ArbeitBild: picture-alliance/dpa

Wie funktioniert das System? Die Polizei in Frankreich gibt zum Beispiel Informationen über eine noch weitgehend unbekannte, aber verdächtige Person, in das System ein, erläutert SIS-Direktor Bernard Kirch. Damit sei diese Person europaweit erfasst. Drei Monate später, so spannt Kirch den Faden weiter, gerät diese verdächtige Person zum Beispiel in Deutschland in eine Polizeikontrolle. Die deutschen Polizeibeamten erführen dann bei ihrer SIS-Abfrage, dass gegen die Person ermittelt werde. Sie könnten dann ihre französischen Kollegen informieren. "Die französische Polizei kann dann weitere Maßnahmen ergreifen, die ihr angezeigt scheinen. Zum Beispiel kann sie nun die Telefone der Person abhören", sagt SIS-Direktor Bernhard Kirch.

Datenschutz ist Sache der europäischen Mitgliedsstaaten

Bei der Fülle der Informationen, die hier weitergegeben und gespeichert werden, stellt sich schnell die Frage nach dem Datenschutz. Einheitliche Regeln, die europaweit gelten, gibt es kaum. Für den Datenschutz ist jedes Land, das an dem System teilnimmt, selbst verantwortlich. In der Praxis bedeutet das, dass je nach nationaler Gesetzeslage unterschiedlich strikt oder lax mit den Daten umgegangen wird. Zuständig sind jeweils die nationalen Datenschutzbeauftragten.

Daten und Fakten zu Europa

Und mit der Schengen-Erweiterung um neun Staaten ist alles noch komplizierter geworden. Es werden nun weit mehr Daten aus mehr Ländern gespeichert als vorher. Der Übergang zu dem so genannten SIS II hat dabei nicht so reibungslos geklappt, wie man sich das vorgestellt hatte. Es gab vielerlei technische Probleme. Damit die Schengen-Erweiterung dennoch in Kraft treten konnte, haben sich die Mitgliedsstaaten zuletzt auf eine Notlösung verständigt.

Man habe das bereits gut funktionierende SIS als Grundlage genommen, so Ewa Klamt, CDU-Europaabgeordnete und SIS-Spezialistin und dann "hat Portugal gesagt, dass sie ausreichend Datenspeicher-Kapazitäten haben, dass die neun neuen Länder, die jetzt auch noch teilnehmen wollen, ihre Informationen zunächst in der portugiesischen Datenbank zwischenspeichern können". Die Portugiesen schicken dann alle Daten zusammen nach Straßburg.

Überwachung der Grenzabschnitte
Überwachung der EU-AußengrenzenBild: picture-alliance/dpa

Das Fahndungs-System wird noch ausgebaut

Die Übergangsphase ist bis 2010 vorgesehen. Dann soll SIS II endlich richtig arbeiten. Bis dahin sollen auch die weiterhin offenen Fragen beim Datenschutz geklärt werden. Der europäische Datenschutzbeauftragte Peter Huestinx steht in intensiven Verhandlungen mit den Mitgliedsstaaten – und kann in einzelnen Punkten Erfolge aufweisen. So wurde zum Beispiel auf seine Initiative hin festgelegt, welche Behörden in Zukunft auf welche Daten Zugriff haben. Das soll helfen, Missbrauch zu vermeiden. Außerdem wurde die Verwendung von biometrischen Merkmalen eingeschränkt.

Ob dies in der Praxis ausreicht, bezweifelt der Datenschutzbeauftragte allerdings. "Beim SIS 2 gibt es sehr viele Neuheiten. Das aktuelle System arbeitet zurzeit nur mit Einzelanfragen. Es geht dabei um 'Ja' oder 'Nein'. Das ist sehr klar und einfach. In Zukunft kann man dann verschiedene Anfragen miteinander verknüpfen und in einem viel größeren Rahmen suchen." Wie das im Einzelnen funktionieren werde und wie man dann den Datenschutz gewährleisten solle, das müssten sie erst noch sehen. Dann sei wirklich alles sehr kompliziert.

Im April 2009 will Huestinx einen großen Test durchführen, um zu prüfen, an welchen Stellen Nachbesserungen nötig sind. Alle diese Maßnahmen können aber nicht darüber hinwegtäuschen, dass eine umfassende Rahmengesetzgebung zum Datenschutz für die polizeiliche Zusammenarbeit in Europa weiterhin fehlt.