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"Ich soll zum Aufgeben gezwungen werden"

Ana P. Santos27. August 2016

Auf den Philippinen nähert sich die offizielle Zahl der im "Krieg gegen Drogen" Getöteten dem Wert 2000. Die DW sprach mit Senatorin de Lima, einer Kritikerin der Politik Präsident Dutertes.

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Leila de Lima als Justizministerin (Foto: Getty Images/AFP/J. Directo)
Bild: Getty Images/AFP/J. Directo

Deutsche Welle: Warum setzt Präsident Duterte auf diesen gewaltsamen und repressiven Ansatz bei der Drogenpolitik?

Es ist eben seine Art, er hat sich dafür entschieden, letztlich weiß ich es auch nicht. Wir schätzen ihn für seinen leidenschaftlichen und entschiedenen Einsatz (gegen die Drogenkriminalität). Aber es muss doch wohl möglich sein, des Drogenproblems Herr zu werden, ohne dass Leute umgebracht werden. Zumindest müsste es möglich sein, die Zahl der Todesopfer auf ein Minimum zu beschränken.

Manche Kritiker sagen, dass diese ganze Problematik bereits unter der letzten Regierung hätte angepackt werden müssen, als Sie Justizministerin waren.

Das ist ziemlich unfair. Niemand kann ernsthaft behaupten, wir hätten nichts gegen das Drogenproblem unternommen. Und erst recht sind wir (die Mitglieder der vorherigen Regierung) nicht für die Ausweitung des Drogenproblems verantwortlich. Es mag sein, dass die von der Vorgängerregierung ergriffenen Initiativen nicht ausreichend waren. Aber fest steht, dass wir gegen Kriminalität und insbesondere Drogenkriminalität vorgegangen sind. Wir haben uns allerdings auf die üblichen Methoden beschränkt. Wir hielten uns an Recht und Gesetz. Es gab keine täglichen Tötungen wie jetzt, wir stellten nicht Personen öffentlich an den Pranger. Diese Methode, Leute ohne Beweise öffentlich zu beschuldigen, mit Drogen zu tun zu haben, und damit ihre Reputation zu zerstören, ist inakzeptabel.

Sind Sie zufrieden mit den ersten beiden Tagen der Senatsanhörungen?

Ja, sehr. Besonders mit dem ersten Tag, als wir zwei Zeugen von insgesamt elf angemeldeten anhören konnten. Nach dem ersten Tag erhielten wir Feedback über Facebook und per SMS von anderen Betroffenen, die sich bereit erklärten, über ihre Erlebnisse zu berichten. Ich habe meine Mitarbeiter beauftragt, ihre Angaben zu überprüfen.

Wir sind uns prinzipiell der gewaltigen Dimension des Drogenproblems in unserem Land bewusst. Daran besteht kein Zweifel. Aber dennoch brauchen wir Klarheit über die Anzahl der Drogenkonsumenten und Drogenhändler beziehungsweise der entsprechenden Verdachtsfälle.

Natürlich sind das veränderliche Zahlen, genauso wie die Angaben über die Anzahl der Getöteten. Die Zahlen, die gestern von Polizeichef Dela Rosa vorgelegt wurden, sind sogar noch höher als unsere Schätzungen. Zunächst war die Rede von etwas über 1000 Fällen, jetzt sprechen wir von fast 2000. So etwas hat es noch nicht gegeben, und das können wir nicht einfach im übergeordneten Interesse des Krieges gegen die Drogen ignorieren.

À propos Krieg: Sie haben sich kurzzeitig in einem Krieg der Worte mit Präsident Duterte befunden. Könnte das Ihre Glaubwürdigkeit als Leiterin der Senatsanhörungen beeinträchtigen? (Anm. d. Red.: Duterte wiederholte am Donnerstag in Davao City seine Anschuldigungen gegen de Lima. Sie habe Verbindungen zu einem Drogenring in einem zentralen Gefängnis von Manila gehabt. Damit sei de Lima "erledigt", so Duterte laut DPA)

Das dürfte die Absicht dahinter gewesen sein. Meine Glaubwürdigkeit und mein Name sollen zerstört werden, letztlich soll ich zum Aufgeben gezwungen werden. Aber das wird nicht geschehen.

Wie geht es jetzt weiter?

Die nächste Anhörung ist für den 5. September geplant. Dort werden weitere Zeugen auftreten, und ich werde sie befragen. Die Geschichten der Zeugen bieten ein vielschichtiges Bild. Zum Beispiel geht es um einen Vater und seinen Sohn, die in Polizeigewahrsam getötet wurden. Das ist ein repräsentativer Fall von Verdächtigen, die in Polizeigewahrsam oder bei Polizeioperationen getötet werden. In einem anderen Fall machten die Eltern mit der Polizei gemeinsame Sache. Der Vater begleitete die örtlichen Polizeibeamten bei ihren Drogeneinsätzen. Die beschlagnahmten Drogen wurden in sein Haus gebracht und dort neu verpackt, zum Weiterverkauf. Die Zeugin sagt, sie habe manchmal gesehen, wie die Männer Shabu (Crystal Meth) rauchten.

Andere Zeugen werden wieder andere Aspekte beleuchten. Was mich wirklich auf die Palme bringt, ist die Tatsache, dass nur die kleinen Drogenhändler und Gelegenheitskonsumenten ins Visier genommen werden. Damit kann man das Problem aber nicht an der Wurzel packen. Ich bin überzeugt, dass die Drogenkriminalität in vielen Orten des Landes nicht so grassieren würde, wenn es nicht die Protektion oder Beteiligung von Seiten der örtlichen Behörden und Polizei gäbe. Damit will ich nicht die Nationale Philippinische Polizeibehörde (PNP) insgesamt beschuldigen. Aber die Zeugenaussagen machen deutlich, dass die Legitimität der ganzen Anti-Drogen-Kampagne durch solche korrupten Individuen leidet.

Hoffen Sie, dass die Anhörungen Einfluss auf Dutertes Kurs haben werden?

Ich bin sicher, dass der Präsident an seiner aggressiven Haltung gegenüber der Drogenkriminalität festhält, und das ist auch gut so. Aber ich hoffe auch, dass er sich offen für die Einsicht zeigt, dass etwas nicht stimmen kann, wenn es immer mehr Tötungen gibt. Bei allem Respekt: Es ist nun an der Zeit, dass Präsident Duterte sich in einer unzweideutigen Erklärung gegen extralegale Tötungen ausspricht.

Unterdessen platzen die Gefängnisse des Landes aus den Nähten, es gibt bei weitem nicht genügend Rehabilitationszentren.

Ich plane eine entsprechende Gesetzesvorlage, um diese Probleme anzugehen. Wir sind auf so etwas nicht vorbereitet. Wenn das so weitergeht, könnten wir es mit einer humanitären Krise zu tun bekommen.