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Terrorismus

Grundrechte für digitale Welt überflüssig?

10. Mai 2017

Besondere Rechtsregeln für die digitale Welt seien nicht notwendig, sagte Bundesinnenminister de Maizière auf der Internetkonferenz re:publica in Berlin. Die Grundrechte müssten aber konsequent angewandt werden.

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Thomas de Maizière Bundesinnenminister
Thomas de Maizière Bundesinnenminister sprach am Mittwoch in Berlin auf der re:publica.Bild: Getty Images/S. Loos

Damit Grundrechte auch mit Blick auf die Digitalisierung konsequent angewandt werden können, sei eine Datenpolitik "aus einem Guss" notwendig, sagte Bundesinnenminister Thomas de Maizière. Auch international müsse es eine "kohärente Positionierung" geben, so der CDU-Politiker. Der Minister sprach sich zugleich für die Entmythologisierung der Digitalisierung aus. "Der Mensch ist keine Marionette", es sei auch nicht so, dass dieser einer "Datenreligion huldige". Zugleich betonte de Maizière, dass es im Netz "keine absolute Anonymität" gebe und das Internet kein rechtsfreier Raum sei. "Eine Tarnkappe gibt es nur bei Harry Potter", erklärte der Minister.

Grundsätzlich würdigte de Maiziere die Möglichkeiten der Kommunikation im Internet und warnte davor, das Netz zu düster zu sehen. "Mit der digitalen Revolution hat vielleicht ein neues Zeitalter der Aufklärung begonnen", sagte er. Das sei per se keine Bedrohung, das Netz ermächtige die Menschen, von ihren Freiheiten Gebrauch zu machen. Damit wachse aber auch die Verantwortung eines jeden Einzelnen der daran mitwirkt.

Neumann: Zensur hilft nicht 

Symbolbild Anwerbeversuche IS
Was tun gegen IS-Propaganda im Internet und besonders den sozialen Medien?Bild: picture-alliance/chromorange/R. Peters

Auch Peter Neumann, der seit 2008 ein internationales Forschungszentrum zu Radikalisierung am Londoner King's College leitet, sieht das Netz nicht so düster wie es durch zahlreiche Fälle von IS-Propaganda und scheinbarer "Turbo-Radikalisierungen" gezeichnet wurde. Denn Neumann wertete Daten zur Online-Aktivität hunderter europäischer Islamisten aus und stellte fest: Oft fänden Rekrutierungsprozesse nur scheinbar online statt. Zwei Drittel aller Briten, die als Kämpfer nach Syrien gereist waren, hätten sich etwa bereits vorher - offline - gekannt. Es hat sich aber die Art und Weise verändert, wie Menschen sich im Internet radikalisierten.

Neumann, der auch OSZE-Sonderbeauftragter zur Bekämpfung von Radikalisierung ist, sagte: "Die Geschichte des Online-Dschihadismus entspricht der Geschichte des Internets." Zunächst hätten Terroristen Websites genutzt, später Online-Foren und Soziale Medien, heute kommunizierten sie über verschlüsselte Apps. Extremistische Rekrutierer nutzten heute zunehmend gesicherte Kurzmitteilungs-Apps. "Was Twitter vor drei Jahren war, ist heute Telegram", sagte er. Auch sei es über Soziale Netzwerke möglich, regelrecht über dschihadistische Inhalte zu stolpern. Häufig werde die interaktive Funktion unterschätzt, etwa die Kommentarspalten der Video-Plattform Youtube, über die Nutzer mit Terroristen in Kontakt kommen könnten. 

Auf technischer Ebene nutzten sie das Internet so wie jeder andere auch: für Kommunikation, Informationsaustausch und die Verbreitung der eigenen Ideen. "Terroristen kommen nicht vom Mars", betonte der Experte. Die Strategie der Terrormiliz "Islamischer Staat" (IS) habe sich allerdings zuletzt verschoben. Vor zwei bis drei Jahren habe die Miliz versucht, junge Menschen nach Syrien und in den Irak zu locken. Heute fordere sie sie eher auf, in westlichen Ländern zu bleiben und dort gegen "die Ungläubigen" zu kämpfen.

Mit Diskussion gegensteuern
Die Online-Aktivitäten von Islamisten sollten nicht in öffentlichen sozialen Medien zensiert werden, fordert Neumann. Obwohl Löschung von Inhalten im Einzelfall sinnvoll sei, sei dies nie alleine wirksam, denn "Das Internet allein macht Menschen nicht zu Extremisten". Nötig sei laut Neumann im Gegenteil, diese von außen zu beobachten und durch Diskussionen gegenzusteuern.

Messenger Telegram
Die verschlüsselte Kommunikationsapp "Telegram" wird von vielen Menschen privat zum Schutz ihrer Privatssphäre genutzt.Bild: picture alliance/dpa/D. Feoktistov/TASS

Durch "Zensur" verlagere sich die Radikalisierung nur: "Diese Menschen sind nicht verschwunden und es ist nicht einfacher, mit ihnen umzugehen. Der IS funktioniere als "Graswurzelbewegung": Die Anhänger verbreiteten die Botschaften über populäre Plattformen, in zeitgemäßen Darstellungsformen, wie man sie auch auf Unterhaltungsplattformen findet - und dies trage entscheidend zu ihrem Erfolg bei. Dazu brauche es vergleichbare Graswurzel-Initiativen, so der Experte Neuman, diese könnten helfen ein Gegengewicht zur Präsenz des IS im Web zu erzeugen.

sd/sti/kle  (dpa, kna, epd)