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Debakel - Schweden will bei der Krone bleiben

Rolf Wenkel15. September 2003

Schweden hat überraschend klar gegen die von der Regierung vorgeschlagene Einführung des Euro gestimmt. Rolf Wenkel kommentiert.

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Wochen vor dem Euro-Referendum hatten die Meinungsforschungsinstitute die schwedischen Euro-Gegner klar vorne gesehen. Dann wurde Schwedens Außenministerin Anna Lindh ermordet, die sich vehement für die europäische Einheitswährung eingesetzt hatte. Und dann begannen die Spekulationen über einen vermeintlichen Symphatieschub für die Euro-Befürworter. Zuletzt war sogar von einem knappen Ausgang die Rede.

Doch der Symphatieschub für Anna Lindh und den Euro ist ausgeblieben, die Wähler haben der Einheitswährung überraschend klar und deutlich eine Abfuhr erteilt, und damit auch dem politischen Establishment, der schwedischen Regierung. Vor einem Jahr noch hatten die Schweden bei den Reichstagswahlen Abgeordnete gewählt, die zu drei Vierteln Euro-Befürworter sind. Alle großen Parteien hatten für den Euro geworben, doch der Wähler hat sie zurück gepfiffen.

Die Schuld an diesem Debakel für die europäische Einheitswährung ist jedoch weniger in der politischen Klasse Schwedens zu suchen. Die hat zwar jahrelang ihren Wählern eingehämmert, das schwedische Modell der Wirtschafts- und Sozialpolitik sei eine einzigartige nationale Errungenschaft - und ist so folgerichtig in arge Erklärungsnöte gekommen, als sie von der schwedischen Bevölkerung plötzlich eine Umkehr, eine Öffnung, eine Abkehr von der geliebten schwedischen Krone verlangte.

Doch die Ursachen liegen vermutlich ganz woanders, liegen in Brüssel, Berlin und Paris. Den Schweden ist bestimmt nicht verborgen geblieben, welche Geburtswehen der Euro in den zwölf europäischen Nachbarländern bei seiner Einführung verursacht hat. Welche Preis-Explosionen er ausgelöst hat, was die Statistiker als subjektive Wahrnehmung abzutun versuchten. Den Schweden ist auch nicht der jahrelange Niedergang des Euro-Kurses gegenüber dem Dollar und anderen wichtigen Währungen verborgen geblieben - Folge einer fehlenden gemeinsamen europäischen Politik in fast allen Fragen und Themen, die in den letzten Jahren die Weltöffentlichkeit bewegt haben.

Und die Schweden haben sehr wohl mitbekommen, wie Finanz- und Währungspolitiker in Berlin, Paris, Rom und Brüssel den europäischen Stabilitätspakt bis zur Unkenntlichkeit gedehnt haben. Welche tiefen Einschnitte ins soziale Netz die Haushaltspolitiker vornehmen müssen, um dem Diktat der Stabilitätskriterien auch nur annähernd Folge leisten zu können.

Das hinterlässt Spuren, gerade beim kleinen Mann auf der Straße, bei den sozial schwächeren Schichten. Der Euro mag gut sein für die Wirtschaft, mag gut sein für Konzerne wie Volvo, ABB und Ericsson. Er mag gut sein für die Globalisierung - aber ob er auch für den Normalbürger gut ist, diesen Nachweis sind Europas Haushalts- und Stabilitätspolitiker bis heute schuldig geblieben, und Schwedens Bürger haben das vermisst.

Europas Währungspolitiker können sich jetzt natürlich hinstellen und jammern, die Schweden hätten Großbritannien und Dänemark, wo auch Abstimmungen über die Einführung des Euros anstehen, einen Bärendienst erwiesen, obwohl sie auch damit den Zug der Globalisierung der Wirtschaft nicht aufhalten können. Aber das wäre zu kurz gegriffen - denn die Ursache für das Debakel liegt bei ihnen selbst.

Erst wenn sie zeigen, dass Haushaltsdisziplin kein Lippenbekenntnis ist, wenn sie zeigen, dass sie künftigen Generationen keine neuen Schuldenberge hinterlassen wollen, und wenn sie zeigen können, dass die Einhaltung von Stabilitätskriterien nicht automatisch zu Lasten des kleinen Mannes gehen muss - erst dann werden Euro-Gegner keine Argumente mehr haben.