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Ian Gillan ist 70

Conny Paul / Suzanne Cords19. August 2015

Ian Gillan schrieb mit "Smoke on the Water" Rockgeschichte und genießt noch immer jede Live-Show. Der Engländer ist aber bei Weitem nicht der einzige Musiker, der im Rentenalter noch immer auf der Bühne steht.

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Schweiz Konzert Deep Purple Ian Gillan (Foto: Getty Images/AFP/F. Coffrini)
Bild: Getty Images/AFP/F. Coffrini

Ian Gillan steht seit 1962 auf der Bühne und ist seit 1969 der Frontmann der Hardrockband Deep Purple. Im vergangenen Jahr ist er in 54 Ländern aufgetreten. Und keines der Konzerte von Deep Purple endet ohne ihren Welt-Hit "Smoke on the Water". Das wird vermutlich auch Ende August in Sigmaringen und Stuttgart so sein, wo Deep Purple zwei Konzerte spielen werden.

1973 stieg der Londoner bei Deep Purple aus, um ein Solo-Karriere zu starten. Er übernahm damals in Andrew Lloyd Webbers Rockoper "Jesus Christ Superstar" die Rolle des Jesus, sang ein Jahr lang bei Black Sabbath und kehrte zweimal zu Deep Purple zurück.

Zu Deutschland hat Ian Gillan eine besondere Beziehung: "Ich habe dort als junger Musiker viel gelernt und Freunde gefunden, die mir bis heute geblieben sind", erzählte er einmal in einem Interview. "In prähistorischer Zeit" habe er viel in Frankfurt am Main, Hamburg, München und Köln gespielt. "Bis zu acht Auftritte an einem Abend. Es war fantastisch." Ian Gillan spricht sogar heute noch ein bisschen Deutsch.

USA Konzert Deep Purple Ian Gillan (Foto: Getty Images/E. Miller)
Ian Gillan mit Deep Purple 2014 bei einem ausverkauften Konzert in Las VegasBild: Getty Images/E. Miller

Young at Heart

Angesprochen auf das hohe Durchschnittsalter der Band Deep Purple, sagte er einmal dem Magazin Cicero: "Wir wurden schon Altrocker, Rockrentner und Dinosaurier genannt. Ich verstehe natürlich, wenn Jüngere sagen: Geh zur Seite, Opa! Stirb endlich! Ich denk mir dann halt: Fuck you." Nicht mehr auf der Bühne zu stehen ist für Ian Gillan undenkbar. "Die Interaktion mit dem Publikum und mit den anderen Musikern, das ist pure Magie. Ich möchte diese Gefühle nicht missen."

Diese besonderen Gefühle möchten auch viele andere Musiker nicht missen, die die magische 70 überschritten haben. "Mit 66 Jahren, da fängt das Leben an", dichtete einst Österreichs berühmter Musikexport Udo Jürgens, der im vergangenen Dezember, kurz nach seinem 80. Geburtstag, verstorben ist. Unter dem Motto "Mitten im Leben" ging er noch im Herbst 2014 auf Tournee - mit alten Hits und neuen Liedern im Gepäck. "Ich glaube, mir sind da ein paar ganz ungewöhnliche Songs gelungen, die sich mit aktuellen Themen befassen. Das Programm wird unter anderem die wichtigsten Höhepunkte meiner Bühnentätigkeit Revue passieren lassen", schrieb er damals auf seiner Homepage.

Gelernte Selbstdarstellung

"Musikstars haben Schwierigkeiten, Abschied vom Rampenlicht zu nehmen und ein Leben in der Normalität zu führen", sagt die Kölner Diplompsychologin Simone Schieß. "Sie haben ja nichts anderes gelernt als Selbstdarstellung." Udo Dahmen, künstlerischer Direktor der Popakademie Baden-Württemberg und Vize-Präsident des Deutschen Musikrates, sieht noch ein anderes Motiv als ausschlaggebend an: "Musiker ergreifen ihren Beruf nicht wegen Geld und Ruhm, sondern aus Liebe zur Musik - und die hört ja nicht plötzlich auf, weil man ein gewisses Alter erreicht hat", meint der Professor.

Leiter der Popakademie Baden-Württemberg Udo Dahmen (Foto: picture-alliance/dpa)
Udo Dahmen ist selbst MusikerBild: picture-alliance/dpa

Wenn man dann noch von den Massen umjubelt wird, umso besser: Die Rolling Stones zum Beispiel feierten 2012 bereits ihr 50-jähriges Bandjubiläum. Zurzeit sind sie "on fire", so der Name der aktuellen Tour. Frontmann Mick Jagger ist im Juli 72 geworden und verkündete in seiner britischen Heimat: "Ich weiß nicht, wann ich aufhören werde. Momentan läuft es noch gut."

Die Stones sind längst Kult; da macht es auch nichts, dass sie kaum noch etwas Neues auf die Bühne bringen. Stattdessen spiegelt sich in ihren Gesichtern Falte für Falte ein ganzes Zeitalter Musikgeschichte wider. "Wir leben in der Postmoderne, und da wirft man gern einen Blick zurück in die Anfänge der populären Kunst. Insofern muss man den Musikern zugestehen, eine Retrospektive ihres Schaffens auf die Bühne zu bringen", so Udo Dahmen. Schließlich wolle das Publikum die Kultsongs seiner Idole hören - und diese Erwartungshaltung werde perfekt bedient.

Rolling Stones Konzert Berlin 10.6.2014 (Foto: Reuters)
Zu Stones-Konzerten kommen mittlerweile mehrere GenerationenBild: Reuters

Und doch hat sich etwas geändert. Aus den ehemals jugendlichen Rebellen, die mit Allüren und Drogenexzessen in die Schlagzeilen gerieten, sind oftmals brave Familienväter oder Großväter mit gesundem Lebenswandel geworden. Sie gehen jetzt früh ins Bett und drücken eher Orangen für einen Saft aus, als einen Joint zu rauchen.

Abschied vom Abschied

Wie oft haben Musiker wie die Scorpions schon eine Abschiedstournee angekündigt - und wie oft gab es den Abschied vom Abschied, meint Udo Dahmen: "Es kurbelt natürlich den Ticketverkauf an, wenn man zum vermeintlich letzten Konzert eines Superstars geht. Man will live dabei sein, wenn eine musikalische Epoche zu Ende geht."

Paul McCartney Konzert in Montevideo (Foto: picture-alliance/dpa)
Paul McCartney 2014 bei einem Auftritt in MontevideoBild: picture-alliance/dpa

Denn auch an Musikern gehen die Alterszipperlein nicht spurlos vorüber. Der 73-jährige Ex-Beatle Paul McCartney musste im Frühling 2014 aus gesundheitlichen Gründen seine Japantournee absagen. Frankreichs Chanson-Legende Charles Aznavour, der im Mai seinen 91 Geburtstag feierte, meint augenzwinkernd, in seinem Alter lasse er es einfach etwas langsamer angehen - und gebe nur noch 30 statt 250 Konzerte im Jahr.

Bühnenluft gegen Rückenschmerzen

Der Rückzug aus dem Rampenlicht sei definitiv schlecht für die Gesundheit, verkündete die 80-jährige griechische Sängerin Nana Mouskouri. Vor sieben Jahren hatte sie offiziell ihren Abschied gegeben. Mit 79 Jahren feierte sie am Fuße der Akropolis in Athen ihr Comeback. Ohne Bühne habe sie sich hoffnungslos und depressiv gefühlt, sagte sie einer griechischen Zeitung."Ich war ständig beim Arzt. Mein Körper tat weh, mein Rücken schmerzte."

Nana Mouskouri 14. Juli 2014 (Foto: LOUISA GOULIAMAKI/AFP/Getty Images)
Seit ihrem Comeback blüht Nana Mouskouri aufBild: LOUISA GOULIAMAKI/AFP/Getty Images

Bühnenluft macht offenbar süchtig und hält fit. "Ein Leben ohne Musik", so Udo Dahmen, "ist für Künstler schlicht und einfach viel zu schnell langweilig."