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Dekonstruktion einer Ehe

Pascal Pfitzenmaier21. Oktober 2004

"5 x 2" erzählt die Geschichte einer Entliebung. Im Rückwärtslauf folgt François Ozon seinem Paar von der Scheidung bis zum Kennenlernen. Unerbittlich schreitet der Film voran.

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Alles auf Anfang: Stéphane Freiss und Valeria Bruni-TedeschiBild: presse

"5 x 2" beginnt, wo die gemeinsame Geschichte von Marion (Valeria Bruni-Tedeschi) und Gilles (Stéphane Freiss) endet. Die Scheidungspapiere sind gerade unterzeichnet. Da nimmt sich das Paar ein Hotelzimmer, um noch einmal miteinander zu schlafen. Was als Abschied gedacht war, endet in der Katastrophe: Er vergewaltigt sie. Mit dem Wissen um das Ende erzählt Ozon die Ehe von Marion und Gilles in vier weiteren Etappen bis zum Anfang. Da ist das Abendessen unter Freunden, die Geburt ihres Sohnes, das Hochzeitsfest und zuletzt das Kennenlernen an einem Sommertag am Strand.

Jede dieser Etappen bietet ein Motiv für die allmähliche Entfremdung und zunehmenden Enttäuschungen dieser Ehe: Beim Abendessen brüstet sich Gilles vor Freunden mit einem sexuellen Abenteuer, von dem Marion bei dieser Gelegenheit erst erfährt. Bei der Geburt ihres Sohnes bringt Gilles es nicht über sich, seine Frau im Krankenhaus zu besuchen. In der Hochzeitsnacht betrügt Marion ihren Mann, der betrunken im Bett liegt und schläft. Bliebe noch der gemeinsame Anfang, in dem das frisch verliebte Paar in den Sonnenuntergang schwimmt. Doch auch über dieser Szene schwebt bereits wie ein Verhängnis die Vergewaltigung Marions.

François Ozon 5x2 Filmausschnitt
Filmszene aus '5 x 2'Bild: presse

Ein Happy End, das keines ist

"Ich wollte die Einsamkeit eines Paares zeigen, ein Mann und eine Frau, die niemals synchron sind", erklärte Ozon in einem Interview dem Wochenmagazin "Nouvel Observateur". "Sie erleben die wichtigsten Momente im Leben einer Ehe nie gemeinsam." "5 x 2" erzählt somit die Geschichte zweier Menschen, die die Ehe mehr trennt als vereint.

Bei den Probeaufnahmen ließ Ozon seine Schauspieler eine Szene aus Ingmar Bergmans "Szenen einer Ehe" (1973) vorspielen, in der Liv Ullmann ihren Mann aufsucht, um die Scheidungspapiere zu unterzeichnen. Auch bei Bergman eskaliert der gemeinsame Abschied in einem Gewaltausbruch. "Diese Szene ist faszinierend, weil sie den Schauspielern die Möglichkeit gibt, eine Abfolge verschiedenster tiefer Gefühle zu zeigen", erklärt Ozon, dem "Szenen einer Ehe" als Ausgangspunkt seiner Erzählung dient.

Hierin erschöpfen sich auch schon die Parallelen, denn anders als in Bergmans wortreichem Kammerspiel herrscht in "5 x 2" eine tiefe Lakonie. Allein die Kamera, die immer dicht an den Schauspieler ist, gibt ihren Gefühlsregungen Ausdruck. Während Bergman den Prozess der Entliebung seines Paares folgerichtig und geradlinig in mehreren Kapiteln nachzeichnet, besteht Ozons Stärke darin, auf eine Psychologisierung seines Ehedramas zu verzichten. "5 x 2" ist bruchstückhaft und episodisch - auch in seiner Dramaturgie.

François Ozon 5x2 Filmausschnitt
Filmszene aus '5 x 2'Bild: presse

"Der Film beginnt als dramatisch-psychologisches Kammerspiel und geht im zweiten Teil, dem mehr gesellschaftlich orientierten, in eine Art klassischen französischen Film über. Für die Hochzeit habe ich mich an gewissen amerikanischen Filmen orientiert, und das Kennenlernen sollte in etwa die Atmosphäre der Sommerfilme von Eric Rohmer widerspiegeln", erzählte Ozon in einem Presse-Interview.

Der Film hat in Frankreich die Kritik gespalten. Zu statisch, sagen die einen. Die Tageszeitung "Le monde" vermutet, die Spannung, die der Film beim Zuschauer auslöse, der wider besseren Wissens auf ein Happy End hoffe, würde ihm ganz sicher nicht nur Freunde machen. Zur Ambivalenz, die "5 x 2" beim Zuschauer auslöst, gehört auch die Filmmusik: Italienische Schnulzen der 1960er-Jahre, die auf ironische Weise die bisweilen schwermütige Erzählung konterkarieren.

Französisches Wunderkind

Sexualität und Gewalt bilden die Motive auch in zahlreichen anderen Filmen des französischen Filmemachers. Ozon, geboren 1967, wurde in Deutschland mit Spielfilmen wie der Fassbinder-Hommage "Tropfen auf heiße Steine" (2000) und dem Drama "Unter dem Sand" (2000) mit Charlotte Rampling bekannt. Das Musical "8 Frauen" (2002), das die großen Frauen des französischen Kinos auf die Leinwand brachte, wurde auf der Berlinale 2002 mit dem Silbernen Bären ausgezeichnet. Zuletzt war in deutschen Kinos der Film-Noir "Swimming Pool" (2003) zu sehen. Damit gehört der Rohmer-Schüler Ozon sicherlich zu den erfolgreichsten zeitgenössischen Filmemachern.

der französische Regisseur Francois Ozon Porträtfoto Ausschnitt
Der Regisseur François OzonBild: dpa