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Demjanjuk darf doch abgeschoben werden

1. Mai 2009

Das Hin und Her um die Auslieferung des mutmaßlichen NS-Verbrechers Demjanjuk geht weiter: Ein US-Gericht wies seinen Antrag ab, die Ausweisung zu stoppen. Der Weg für eine Überstellung nach Deutschland wäre frei.

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Dienstausweis von John Demjanjuk, den er als "Wachmann" 1942 in seinem Ausbildungslager Trawniki bekommen hat (Foto: DPA)
Demjanjuk soll 1943 zu den Wachmannschaften des NS-Vernichtungslagers Sobibor gehört habenBild: picture-alliance/ dpa

Demjanjuks Anwälte hatten geltend gemacht, dass der Transport des 89-Jährigen nach Deutschland angesichts des Gesundheitszustands ihres Mandanten Folter gleichkäme und deswegen illegal wäre. In ihrem Urteil wiesen die Richter an einem Berufungsgericht in Cincinnati das am Freitag (1.5.2009) ohne Einschränkung zurück. Demjanjuk und seine Anwälte seien den Beweis schuldig geblieben, dass ihm durch die Überstellung nach Deutschland Folter drohe. "Er hat allenfalls Spekulationen vorgelegt, dass sich die deutschen Behörden möglicherweise nicht angemessen um seine medizinischen Bedürfnisse kümmern", heißt es in dem Urteil.

Überstellung keine Folter

Demjanjuk steigt in Auto (Foto: DPA)
Ein Video zeigt Demjanjuk fitter als behauptetBild: picture-alliance/ dpa

Auch das Argument, dass Demjanjuk den langen Flug nach Deutschland nicht überstehen könne, wiesen die Richter zurück. Auf Grundlage eines medizinischen Gutachtens zu Demjanjuks Gesundheitszustand seien sie zu dem Schluss gekommen, dass dem 89-Jährigen der Flug in einer Maschine mit medizinischer Einrichtung und ärztlichem Personal zugemutet werden könne. Das Risiko "irreversibler Schäden" sei nicht groß genug, um einen Stopp der Abschiebung zu rechtfertigen.

Ob und wann der mutmaßliche Kriegsverbrecher abgeschoben wird, ist allerdings weiter unklar. Eine Sprecherin des Bundesjustizministeriums sagte am Freitagabend unter Berufung auf die deutsche Botschaft in Washington, Demjanjuk werde auf jeden Fall nicht an diesem Wochenende abgeschoben.

Neues Verfahren?

Demjanjuks Sohn John Demjanjuk Jr. kritisierte den jüngsten Richterspruch als "unmenschlich". Gegenüber der Nachrichtenagentur AFP kündigte er an, einen Gang vor den Supreme Court in Washington zu prüfen. Außerdem habe ein deutscher Anwalt seines Vaters vor dem Verwaltungsgericht Berlin Klage gegen die Bundesregierung eingereicht, um die Auslieferung zu verhindern. Am 14. April war die Abschiebung Demjanjuks, der in Seven Hills bei Cleveland (Ohio) lebt, praktisch in letzter Minute gestoppt worden.

Demjanjuk wird aus dem Haus getragen (Foto: DPA)
Am 14. April war die Abschiebung praktisch in letzter Minute gestoppt wordenBild: picture alliance / landov

Das Berufungsgericht in Cincinnati hatte dem 89-Jährigen eine Frist bis Ende April für eine gründliche ärztliche Untersuchung eingeräumt. Damit hatte es die Überstellung Demjanjuks verhindert; die Einwanderungsbehörden hatten den Rentner bereits daheim abgeholt, um ihn zum Flughafen zu bringen.

"Wettlauf gegen die Zeit"

Dem gebürtigen Ukrainer wird Beihilfe zum Mord in 29.000 Fällen zur Last gelegt. Er soll 1943 für ein halbes Jahr zu den Wachmannschaften des NS-Vernichtungslagers Sobibor im damals von Deutschland besetzten Polen gehört haben. Demjanjuk muss sich in München vor Gericht verantworten, da er vor seiner Auswanderung in die USA in der Nähe der bayerischen Landeshauptstadt lebte.

Die Präsidentin des Zentralrats der Juden in Deutschland, Charlotte Knobloch, forderte ein rasches Gerichtsverfahren gegen Demjanjuk. "Dass sich seine Abschiebung nach Deutschland derart verzögert, ist unbegreiflich", sagte Knobloch im Interview mit der Deutschen Presse-Agentur dpa. Da Prozesse gegen NS-Handlanger ein Wettlauf gegen die Zeit seien, "muss alles juristisch Mögliche getan werden, um solche Verfahren zu beschleunigen. Ein unnötiges Hinauszögern ist nicht hinnehmbar". (mag/afp/dpa/ap)