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Demokratie ist möglich

28. August 2009

Erste Teilergebnisse der Wahl sehen nur einen knappen Vorsprung von Amtsinhaber Karsai vor seinem Herausforderer Abdullah. Wenn das stimmt wäre das ein Fortschritt meint Said Musa Samimy.

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Die Botschaft des Kopf-an-Rennens zwischen Hamid Karsai und Abdullah Abdullah ist in ihrem politischen Inhalt eindeutig: Es ist dem ehemaligen Außenminister Abdullah gelungen, die absolute Mehrheit für Amtsinhaber Karsai zu verhindern. Das ist gut für die Fortführung des demokratischen Friedensprozesses am Hindukusch. Es stärkt den Glauben der Bevölkerung daran, dass es in der Demokratie durchaus möglich ist, einen Machtwechsel an der Spitze des Staates friedlich durch Wählerstimmen herbeiführen zu können.

Polarisierung im Vielvölkerstaat

Die Teilergebnisse der Wahlen sorgen aber auch für eine gewisse politische Polarisierung im afghanischen Vielvölkerstaat: Mit Karsai und Abdullah stehen zwei ganz unterschiedliche Kandidaten zur Wahl. Sie unterscheiden sich in ihrem politischen Werdegang und den programmatischen Vorstellungen über die Zukunft des Landes krass voneinander.

Der 50-jährige Abdullah hat seine politische Karriere begonnen, weil er sich als Arzt angesichts der schwierigen Kriegsbedingungen seinen Patienten verpflichtet fühlte. Seine Arbeit hat er gleichzeitig als Bestandteil seines Kampfes gegen die sowjetische Invasionstruppen betrachtet. Zudem war er in schwierigen Phasen für die Gestaltung der Außenbeziehungen des Landes verantwortlich. Demgegenüber hat Karsai als Lieblingssohn seines Clans zunächst in Indien Politologie studiert. Gemeinsam mit seinen Brüdern hat er lukrative Geschäfte in den USA gemacht. Erst später wurde der 52-Jährige als Randfigur in den politischen Kreisen der Exil-Afghanen tätig.

Zentralismus oder Föderation

Karsai beharrt auf dem Fortbestehen des stark zentralistischen Präsidialsystems. Im Laufe seiner Amtszeit hat er seine Macht als Präsident zur Ausweitung seiner persönlichen Machtbasis instrumentalisiert, indem er Zweckallianzen mit regionalen Fürsten schmiedete und politische Konzessionen an die islamistischen Kräfte machte.

Um einen derartigen Missbrauch zu unterbinden, plädiert Abdullah für eine lockere föderale Struktur am Hindukusch, bei der die Bevölkerung in den Provinzen durch freie Wahlen an wichtigen Entscheidungen beteiligt werden soll. Zudem hat Abdullah ein relativ konkretes Wirtschaftsprogramm vorgelegt. Zur Überwindung der Armut und Arbeitslosigkeit räumt er der Entwicklung der Landwirtwirtschaft und der Förderung der verarbeitenden Industrie Priorität ein.

Im Unterschied zu Karsai hat Abdullah in seiner Funktion als Außenpolitiker gute Beziehungen mit Anrainerstaaten entwickelt und sie konstruktiv gepflegt. Abdullah gilt als Geheim-Favorit der USA. Schien er anfangs unsicher und zurückhaltend, entwickelte er später Machtbewusstsein und taktisches Geschick - ein außerordentlicher Reifeprozess.

Klare Alternativen

Der Westen wäre gut beraten, sich nicht zugunsten eines Kandidaten einzumischen. Dem freien und fairem Verlauf der Wahlen muss absolute Priorität eingeräumt werden. Trotz aller Hemmnisse wird die Bevölkerung am Hindukusch nach eigenem Ermessen über die Zukunft ihres Landes entscheiden. Für die Demokratie ist es unerlässlich, dass das Volk als Souverän klare personelle und programmatische Alternativen hat.

Autor: Said-Musa Samimy
Redaktion: Mathias Bölinger