1. Zum Inhalt springen
  2. Zur Hauptnavigation springen
  3. Zu weiteren Angeboten der DW springen

Demonstration vor Radiosender "Tilos Radio" in Ungarn tritt Lawine los

19. Januar 2004

– Verbrennung einer israelischen Flagge löste heftigen innenpolitischen Streit aus

https://p.dw.com/p/4aLh

Budapest, 19.1.2004, BUDAPESTER ZEITUNG, deutsch

Die Verbrennung einer israelischen Flagge während einer Demonstration in Budapest löste vergangene Woche einen heftigen innenpolitischen Streit aus. Der Vorfall ereignete sich bereits am 11. Januar, als mehrere tausend Demonstranten vor dem Sitz des Senders "Tilos Rádió" wegen einer christenfeindlichen Äußerung eines Mitarbeiters protestierten. Einer der wegen Volksverhetzung gesuchten Täter, die die Flagge verbrannten, wurde inzwischen verhaftet. Zur Demonstration hatten die Fidesz (Bund Junger Demokraten – MD)- nahen Bürgerlichen Kreise aufgerufen. Die Redner und Teilnehmer forderten, dass die Rundfunkaufsicht ORTT "Tilos Rádió" die Sendelizenz entziehe, obwohl der Mitarbeiter, der gefordert hatte, alle Christen zu töten, bereits entlassen worden war. Einige Kirchenvertreter mahnten zur christlichen Vergebung, doch die scharfen Töne überwogen. "Wir sollten gegen die Minderheit der Ungarn- und Christenhasser keine Toleranz zeigen, wenn wir nicht wollen, dass unsere Kinder als Nazis abgestempelt in Reservaten leben werden", sagte der konservative Publizist István Lovas.

Trotz der Aufforderung der Organisatoren am Ende der Veranstaltung, den Platz würdig zu verlassen, kam es zur Verbrennung der Flagge. Einige Teilnehmer warfen zudem Schneebälle gegen das Funkhaus und einer Fotografin der Nachrichtenagentur MTI wurde die Kamera entrissen und zerstört. Die israelische Botschaft protestierte umgehend gegen die Verunglimpfung des staatlichen Symbols. Die Polizei, die den Vorfall nicht bemerkt hat, nahm Ermittlungen wegen Volksverhetzung auf.

Am Montag (12.1.) distanzierten sich die Organisatoren und Parteien gegenüber der Flaggenverbrennung. Eine Äußerung von Fidesz-Fraktionschef János Áder, der die Flaggenverbrennung in die Nähe des Berliner Reichstagsbrands 1933 stellte, löste jedoch Bestürzung aus. "Auch der Reichstag wurde nicht von jenen angezündet worden, die vor Gericht gestellt wurden. Es ist klar, dass einige Leute beauftragt wurden, die Fahne zu verbrennen", konstatierte er. "Mit dem Vorfall konnten die Sozialisten davon ablenken, dass während des Urlaubs von Premier Péter Medgyessy in Thailand der Forint stärker wurde und nach seiner Rückkehr abfiel." Die MSZP8Ungarische Sozialistische Partei – MD)-Fraktionsvorsitzende Ildikó Lendvai nannte die Äußerung Áders eine unglaubliche Provokation. "Der Fidesz versucht verzweifelt die Verantwortung dafür von sich zu weisen, dass Extremisten in den von ihm ins Leben gerufenen Bürgerlichen Kreisen den Geist des religiösen und politischen Hasses, des Antisemitismus und der Ausgrenzung aus der Flasche ließen", sagte sie.

Medgyessy gab eine Mitteilung aus, in der er feststellte: "Eine Nationalflagge gibt das großartige Gefühl der Zugehörigkeit zu einer Gemeinschaft. Wer mit der Flagge einer anderen Nation so umgeht, kann auch die eigenen nationalen Werte nicht schätzen". SZDSZ(Bund Freier Demokraten – MD)-Fraktionschef Gábor Kuncze bewertete immerhin positiv, dass Politiker der konservativen Parteien sich von der Flaggenverbrennung distanzierten.

Die Täter wurden zwei Tage später auf Grund von Fotos identifiziert. Einer der Verhafteten gab lediglich zu, dass er ein Hemd mit der Aufschrift "Tilos Rádió" verbrannt habe. Dabei habe ein Unbekannter die israelische Flagge ins Feuer gehalten. Dieser Mann soll Giorgio Richárd, ein mutmaßlicher 27-jähriger Rechtsextremist sein. (fp)