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Den Stars in die Seele schauen

Priya Esselborn24. September 2003

Trash-Titan Dieter Bohlen war mal wieder das Vorbild: Eine wahre Flut von Autobiographien vermeintlicher Superstars rollt an. Aber auch ganz normale Menschen entdecken die Lust an der Rückschau.

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Bohlen hat gut lachen - sein Buch ist ein BestsellerBild: AP

Der Münchner Heyne-Verlag hatte den richtigen Riecher, als er im vergangenen Jahr Dieter Bohlens Autobiographie "Nichts als die Wahrheit" veröffentlichte. Das Buch wurde ein sensationeller Erfolg, verkaufte sich in Deutschland etwa 800.000 mal. Eigentlich war man es bisher gewohnt, dass Personen der Zeitgeschichte, wie Politiker, Künstler oder Sportler, ihre Memoiren gegen Ende ihres erfolgreichen Lebens publizierten. Inzwischen scheinen aber selbst 18-jährige Finalisten von TV-Castingshows -wie Daniel Küblböck-genug erlebt zu haben, um 224 Seiten zu füllen. Ende September machte Küblböck unter dem Titel "Ich lebe meine Töne" sein Leben publik. Damit scheint das Genre der Trash-Biographien endgültig begründet zu sein.

Deutschland sucht den Superstar Daniel Küblböck
Bild: AP

Blick hinter die Fassade

Nach Ansicht von Psychologen sind die Käufer dieser Biographien fasziniert von der Glitzerwelt der Promis. Sie projizieren Träume und Sehnsüchte auf die Stars, wären gerne selbst berühmt. Gleichzeitig möchten sie den Menschen hinter dem Star entdecken. "In der Klatschpresse finden sich viele Berichte und Zitate über Prominente. Dies sind aber nur kleine Ausschnitte. Der Leser möchte die persönliche Sicht des Prominenten erfahren, seine Erlebnisse nachvollziehen können," sagt Claudia Limmer, Leiterin der Presseabteilung beim Heyne-Verlag.

Experten sehen aber auch den psychologischen Aspekt. Der Leser erkennt, dass das vermeintliche Luxusleben doch nicht so aufregend ist wie zunächst vermutet. So gelingt es ihm, sein eigenes Leben besser anzunehmen, er wird zufriedener.

Vorteile für Prominente

Von der Veröffentlichung ihrer Memoiren profitieren vor allem die Prominenten selbst. Sie verdienen natürlich am Verkauf, sind aber vor allem wieder in den Medien präsent. Darüber hinaus beeinflussen sie die öffentliche Meinung, in dem sie Sympathien und Antipathien verteilen. Stefan Effenberg zum Beispiel wetterte in seiner Autobiographie "Ich hab´s allen gezeigt" gegen seinen Fußballerkollegen Lothar Matthäus. Nadja Abdel Farrag ließ in "Ungelogen" ihrer Wut über Dieter Bohlen freien Lauf.

Stefan Effenberg als Schriftsteller
Bild: AP

Selten schreiben Deutschlands Prominente allerdings ihr Leben selbst auf. Vielmehr bedienen sie sich eines Ghostwriters. Im Falle von Dieter Bohlen half die Bild-Kolumnistin Katja Kessler, bei Stefan Effenberg der Journalist Jan Mendelin.

Autobiographien als Marktlücke

Doch nicht nur Prominente, auch weniger bekannte Persönlichkeiten drängt es ihr Leben zu Papier zu bringen - und auch sie brauchen oft eine helfende Fremd-Feder. Die Autobiographie auf Bestellung oder "Das Buch des Lebens" war die Geschäftsidee von Katrin Rohnstock. Bereits 1998 gründete die Germanistin in Berlin ihr Medienbüro. "Unsere Kunden sind eher ältere Personen, die auch wirklich etwas zu erzählen haben und auf ihr Leben zurückblicken. Selten werden Biographien aus Eitelkeit in Auftrag gegeben. Unsere Kunden schreiben für ihre Familie und Freunde und natürlich auch für sich selbst." Katrin Rohnstock findet es zudem bemerkenswert, dass mit dem Buch für viele Menschen noch einmal eine aktive Phase im Leben beginnt. "Sie lesen aus ihrem Buch vor und erfahren Anerkennung."

Katrin Rohnstocks Unternehmen beschäftigt inzwischen sieben festangestellte Mitarbeiter und dreißig freie. Sie sieht die Arbeit íhrer Agentur als Gegentrend zur aktuellen Flut von Prominentenbiographien, da ihre Kunden in der Regel nicht in der Öffentlichkeit stehen. Katrin Rohnstock verfolgt eine ganz spezielle Philosophie: "Bei uns wird keine Biographie oberflächlich inszeniert. Deshalb sind diese authentischen Lebensgeschichten auch gehaltvoller und sehr viel spannender", sagt sie. "Unsere Bücher richten sich an Menschen, die ein Stück ihrer eigenen Geschichte, ihre Wurzeln, darin wieder finden wollen. Sie sind darüber hinaus ein kaum zu unterschätzendes Archiv des Alltagslebens und der Alltagskultur, das auch dann noch wichtig sein wird, wenn niemand mehr die Namen Bohlen oder Effenberg kennt."

Katrin Rohnstock, Porträt
Bild: Katrin Rohnstock