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Der Wert des Bodens

Karin Jäger4. Dezember 2015

Flächen werden versiegelt, entwaldet, beackert, beweidet, verseucht, überdüngt. So werden immer mehr Böden unfruchtbar. Das Internationale Jahr des Bodens hat an dem Raubbau nur wenig geändert.

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Kartoffelfeld (Foto: picture-alliance/All Canada Photos/Barrett & MacKay).
Bild: picture-alliance/All Canada Photos/Barrett & MacKay

"Das Bodenbewusstsein der Institutionen ist gestiegen", sagt Klaus Kruse. Er ist beim Bundesverband Boden für Öffentlichkeitsarbeit zuständig. "Und es gab sehr viele Veranstaltungen, die es ohne das 'Jahr des Bodens' sicherlich nicht gegeben hätte."

Die Kirchen zum Beispiel informierten in Broschüren über klassische Landwirtschaft und über Landgrabbing. Auf der Landwirtschaftsmesse "Grüne Woche" in Berlin konnten sich Besucher über die Bedeutung und die Beschaffenheit von Böden informieren. Naturschutzverbände und Behörden stellten in Ausstellungen das Entstehen von Böden dar. Wissenschaftler hoben die große Bedeutung der dünnen Haut der Erde für den Klimaschutz hervor.

Böden sind langweilig - oberflächlich gesehen

Lediglich die Medien reagierten zurückhaltend auf das Thema, sagt Kruse: "Der Boden hat keine Kulleraugen, er bewegt sich nicht. Es gibt selten Katastrophenmeldungen."

In der Ackerkrume lebt ein ganzer Zoo von Tieren, Wurzeln, Pilzen, Algen und Bakterien, die zersetzt in Kohlendioxid, Wasser und Humus umgewandelt werden.

Durch Verdunstung wird die Umgebung gekühlt. Doch die Böden sind erheblich bedroht. Nach Angabe des Boden-Atlas der Heinrich Böll-Stiftung wurde in den Industrieländern zwischen 2005 und 2007 145 Kilogramm Dünger pro Hektar und Jahr aufgebracht. In den trockenen Böden Afrikas südlich der Sahara wurden gerade einmal 10 Kilogramm Dünger auf der gleichen Fläche verteilt.

Ein Bauer pflügt einen Acker bei Pegau (Sachsen). (Foto: Jan Woitas/ZB).
Bodenbearbeitung: Auf das Maß kommt es anBild: picture-alliance/dpa/J.Woitas

In Deutschland führt die Überdüngung mit Nitrat aus Mineraldüngern und Tierfäkalien großflächig zu einer erheblichen Grundwasserbelastung. Durch die entstehenden Kosten für die Aufbereitung des Trinkwassers muss Wasser zwangsläufig teurer werden.

"Doch die Böden leiden auch an Versalzung, Kontamination mit Schadstoffen, Verdichtung und Überbauung und Entnahme von Rohstoffen. Auch der Klimawandel hat Einfluss auf die Bodenfruchtbarkeit", sagt Günter Miehlich. Der pensionierte Professor am Institut für Bodenkunde der Uni Hamburg versucht seit Jahrzehnten, die breite Öffentlichkeit für die Bedeutung des Bodens zu sensibilisieren.

Ungebremster Flächenverlust

Ein schwieriges Unterfangen, findet auch Klaus Kruse, denn die Prozesse der Degradierung sind schleichend. Wenn die Bodenversiegelung voran schreite und der tägliche Flächenverlust in Deutschland 114 Fußballplätze entspreche, sei dies eine vorstellbare Größe, bilanziert der Boden-Experte. "Der Boden ist begrenzt, er lässt sich nicht vermehren." Die Bundesregierungen wollen den Trend stoppen. Schon Rot-Grün hatte 2005 erklärt, die tägliche Versiegelung ab 2020 auf 30 Hektar begrenzen zu wollen. Die aktuelle Koalition von Union (CDU/ CSU) und SPD hat dies Vorhaben im Regierungsprogramm festgeschrieben. Doch gleichzeitig reklamiert sie wegen des anhaltenden Flüchtlingsstroms den Bedarf an Neubauten. "Ich gehe davon aus, dass die 74 Hektar Verbrauch in den nächsten Jahren nicht weiter reduziert werden", befürchtet Klaus Kruse.

Straßenbauer bei der Arbeit (Foto: picture alliance).
Schneller vorwärtskommen auf asphaltierten StraßeBild: picture-alliance/dpa

Nur zwölf Prozent der Böden weltweit sind für den Ackerbau und damit zur Herstellung der Nahrungsmittelsicherheit von 7,5 Milliarden Menschen geeignet, sagt der Bodenwissenschaftler Winfried E.H. Blum. Damit stehen jedem Erdbewohner 2200 Quadratmeter zur Verfügung. Theoretisch - denn die kultivierbaren Böden sind nicht gleichmäßig verteilt. In den Regenwald-Gebieten in Äquatornähe enthalten Böden wenig Pflanzennährstoffe. Um den Regenwaldboden für den Ackerbau zu kultivieren, wird er abgebrannt.

Anschließend sind große Mengen an Dünger notwendig, um auf Plantagen Ananas, Bananen, Ölpalmen und Soja gedeihen zu lassen oder Rinder zu züchten. Da die Bäume fehlen, die Schatten spenden, vertrocknet der Boden, ehe er mangels Wurzel-Verankerung weggespült wird. Die Straßen, die dort gebaut werden zum Abtransport der Stämme, tragen zur Zerstörung des Ökosystems bei. Auf Abnahme der Biodiversität, Erosionen und Wüstenbildung folgen Nährstoffmangel, sinkende Erträge, Hunger, Armut und Landflucht.

Weiterhin Bewusstsein schaffen

Auch Grundstückseigentümer folgen einem Trend, der dem Boden nicht förderlich ist: Sie legen möglichst kleine Gärten an, versiegeln Flächen rund ums Haus mit pflegeleichten Pflastersteinen und unkrautresistentem Asphalt. "Man muss das Thema in die Köpfe bringen, damit sich etwas ändert. es ist wichtig, Bewusstsein zu schaffen, für die verschiedenen Funktionen, die der Boden erfüllt."

Das Internationale Jahr des Bodens hat dazu nicht ausgereicht. Günter Miehlich hält daher Vorträge über die Bedeutung der Böden und deren Erhalt. Dazu gelte es, das Hungerproblem der Welt und die damit verbundenen Missstände zu lösen - etwa Bevölkerungswachstum, eingeschränkte Rechte der Landwirte, Korruption, Landraub, Spekulation mit Nahrungsmitteln und Saatgut, Zollschranken und Welthandel. Lebensmittelverschwendung sei zu vermeiden. Außerdem appelliert er an die Verbraucher, weniger Fleisch zu essen, um den Gebrauch von Land für die Tiermast einzudämmen.

Landwirtschaftlich genutzte Böden sollten bodenschonend bewirtschaftet werden, um Humus aufzubauen und das Bodenleben zu aktivieren. Der Bodenschutz sollte auch auf Wälder ausgedehnt werden, wo schwere Forstmaschinen tiefe Rillen hinterlassen, was zu einer Verdichtung des Bodens führt.

Nicht zuletzt sollten Grundstückseigentümer pfleglich mit Böden umgehen. Wasserdurchlässige Terrassen und Gärten gehören dazu oder die Kompostierung von Gartenabfällen und der Verzicht auf Torf. Vorrangiges Ziel sollte es sein, den Gebrauch von Boden pro Person zu vermindern.